Vorwürfe gegen Dialysezentrum in Hamburg - Ist der Patient noch Mensch?

Kommentar zum ARD "Panorama" Bericht  vom 22.08.2017+

 

Begebenheit

 

Laut Panorama sehen sich ein Hamburger Dialysezentrum sowie die geschäftsführende Ärztin schweren Vorwürfen ausgesetzt: Werden Patienten dort unsachgemäß behandelt und aufgeklärt?

 

Zitat Panorama: "Abblocken, Akten nicht übermitteln, nicht aufklären - so lauten die Vorwürfe gegen ein Hamburger Dialysezentrum. Dabei ist eine ordentliche Dialyse für Menschen ohne funktionierende Nieren dringend notwendig: in der Regel dreimal pro Woche für bis zu sechs Stunden. Viele von ihnen warten auf eine Nierentransplantation - oft die einzige Hoffnung auf mehr Lebensqualität. Deshalb sind sie auch auf sorgfältige, aktuelle und gut geführte Unterlagen angewiesen. Doch genau das ist das Problem: die geschäftsführende Ärztin der Hamburger Dialysepraxis soll wegen permanentem Personalmangel und ständiger Fluktuation von Mitarbeitern überfordert sein und damit auch die Patienten gefährden, berichten ehemalige Patienten und Angestellte. Auf Nachfrage gibt die Ärztin an, grundsätzlich alle Patienten über die Möglichkeiten einer Nierentransplantation aufzuklären." So Panorama!

 

Ausflug in die Realität des Dialysealltages

 

Informierten und aktiven Dialysepatienten sind Abläufe wie in Hamburg und andere nicht unbekannt, wie dieser Kommentar darstellen wird.

 

Die Situation von Hamburg mit Personalmangel, Fluktuation und Überforderung des Personals, ist keine fingierte Darstellung. Unter solchen Arbeitsbedingungen mit teils abstrusen Vorschriften,  wo kaum noch die Menschenwürde aller Beteiligten beachtet wird, kommt es unweigerlich zu Verfehlungen in allen Bereichen. Wobei die Arbeitgeber und Dialysebetreiber hier sicher ihre eigene Rhetorik besitzen, um die Abläufe den gesetzlichen Vorgaben anzupassen. Jedoch bringt die  raffinierteste  Redekunst keine Zufriedenheit in ein ständig überfordertes Pflegeteam. Wer arbeitet unter den Bedingungen  mit solch hoher Verantwortung gerne? Fließbandmitarbeiter arbeiten teils für mehr Lohn, ohne große Verantwortung und der Gefahr gesetzesbrüchig zu werden. Wie hoch ist bei diesen Rahmenbedingungen die Fehlerquote?

 

Dialysepatienten klagen bundesweit

 

Dialysepatienten klagen vieler Orts nicht nur über mangelnde Aufklärung, sondern auch über eilige wie oberflächliche Kurzvisiten und ungesunde Behandlung. So erhielt ich als Beispiel kürzlich eine E-Mail eines Patienten der mir folgendes schilderte. " In der Dialyse herrscht ein rüder Umgangston, auch unter den Schwestern; immer mehr Pflegekräfte kündigen, die Fluktuationsrate war vorher schon enorm, wir Patienten sind mehr oder weniger nur noch Mittel zum Zweck, und es wird vor allem

 

überlegt, was man mit den Patienten veranstalten kann, um zusätzliches Geld einzuspielen ... Zunehmend fühlt man sich reglementiert und bevormundet, und vor allem nicht mehr menschenwürdig behandelt." 

 

Die Darstellung deckt sich nicht nur mit Hamburg, sondern mit zahlreichen Beschreibungen von Patienten in Facebook sowie per E-Mail. Alles bundesweit frei erfunden ...? Nur Einzelmeinungen ... bedingt durch dialysebedingte Wahrnehmungsstörungen ...? Oder Realität ...?! Verursacht es eventuell doch negative Auswirkungen, dass vom Arzt über Personal bis hin zur Putzfrau alles in einem Pauschalsystem mit engen Zeitfenstern reglementiert wurde? Wie gering wäre nur als Beispiel die Infektionsrate mit Krankenhauskeimen, wenn das Personal die notwendige Zeit für die gesetzlichen Zeitvorgaben der Händedesinfektion hätte?!  Wenn sich Krankenpfleger exakt an die Hygienevorschriften halten würden, dann würden sie ihren Dienst kaum schaffen.

 

Realität

 

Der Bericht von "Panorama" in der ARD schildert  so für mich Wahrnehmungen der Realität. Freundlichkeit, Arbeitgebertreue entspanntes Arbeiten ist bei den Rahmenbedingungen kaum noch möglich. "Dabei ist eine ordentliche Dialyse für Menschen ohne funktionierende Nieren dringend notwendig." Wie wird dies nun am Patienten in der Realität umgesetzt?  Mir sind Dialyseanbieter bekannt, die bei unbesetzten Arztstellen Honorarärzte, Ärzte aus Krankenhäusern, oder aus eigenen Zentren als Vertretung zu ihren Patienten entsenden.  So erblicken diese Patienten  einen ortsfremden sowie beziehungslosen Arzt am Bett. Bei Urlauben anderer Zentrumsärzte geht das über Wochen. Diese Vertretungsärzte reisen  aus allen teilen Deutschlands an. Hervorragende Patientenversorgung unter Beachtung der Menschenwürde gestaltet sich aus Patientensicht anders. So ein Handeln fällt einzig unter die Kategorie; "Patientenverwaltung mit dem Primärziel die Zufriedenheit der Betreiber/Aktionäre mit allen Mitteln herzustellen."

 

„ Wo kein Kläger, da kein Richter"

 

Die Dialyseanbieter haben dabei mehrfach Glück!  Der größte Patientenanteil gehört einer älteren sowie mit der Krankheit unerfahrenen Generation an. Die entwickelt keinen Wechselgedanken zu einer anderen Dialyseeinrichtung. Sie Erfassen die Fehlentwicklungen nicht. Sagt man was, heißt es von diesen Mitpatienten: "Man würde übertreiben, lass den Arzt nur machen." Ersprießlicher kann es für solch handelnde Anbieter gar nicht ablaufen. Nach dem Motto: "Nullo actore nullus iudex: „[Wo] kein Kläger, [da] kein Richter."  Quengler gibt es fortwährend die sind von den Betreibern mit einkalkuliert.  Überdies ist der Wechselgedanke gerade in ländlichen Gegenden, teils schwer zu bewerkstelligen. Denn die Krankenkasse hat bei der Fahrtkostenerstattung ein Mitspracherecht. Freie Arztwahl entfällt schnell, wenn es um Kostenerstattung geht. Erschwerend ist, dass der Patient gegen all diese Behandlungen und z.B. den wechselnde Ärzte kaum eine Handhabe besitzt. Der Gesetzgeber schreibt zum Beispiel um eine Dialysebehandlung durchführen zu können einen Facharzt für Nephrologie vor! Zitat: Aus dem Dialysestandard 2016 der Gesellschaft für Nephrologie: " Die Erbringung der Dialyse ist grundsätzlich an die Qualifikation als Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Nephrologie oder vergleichbarer Berechtigung gemäß Qualitätssicherungsvereinbarungen zu den Blutreinigungsverfahren vom 16.06.1997 in der Fassung vom 1.Juli 2009 gebunden." Das der Arzt allen Patienten bekannt sein muss ist nicht festgelegt! Solche Gesetzeslücken werden gerne ausgenutzt. Ob es dem Gewinn  dienlich ist, wenn man über die so entstehende ungesunde Behandlungsqualität schon in Bierstuben berichtet, bleibt offen.

 

Problem nicht unbekannt

 

Jenes Problem und viele weitere sind bekannt wird aber von keiner Institution groß bemängelt. Es erfolgt wenn nur die 08/15 Rhetorik. Wer die Zurückhaltung aller Institutionen etwas besser verstehen möchte, sollte sich auch mal die Aussteller auf deren Kongressprogrammen anschauen. Danach fällt einem unweigerlich der alte Minnesängerspruch ein: "Weß’ Brot ich eß’, deß’ Lied ich sing"

 

Gewinnorientierung vor Menschenwürde

 

Der Dialysepatient besitzt aus allen Blickrichtungen und bei allen Abläufen die Wahrnehmung einer gewinnbringenden Nutzpflanze. Ein Beispiel, das ich gerne nutze. Geht die Pflanze ein, übernimmt eine Neue den Platz. Hierzu schreibt mir ebenfalls ein Patient aus Deutschland: "Leider werden wir zunehmend nur noch verwaltet und finanziell das meist mögliche aus uns herausgepresst." Eine Patientin 80ig tätigte mir gegenüber die Frage: "Warum werden wir nur noch als Patienten erkannt und nicht mehr als Menschen?" Eine andere Patientin hat mir unter Tränen berichtet, dass man ihr trotz schwerer Erkrankung eine ander Dialysezeit zugeteilt hat. So hat man sie, obwohl es gute Alternativen gab, aus ihrem gewohnten Umfeld in der Dialyse verlegt. Wie belastend sich so die Behandlung danach, auch mit dem Gefühl der Entmündigung gestaltet, wissen nur Mitbetroffene!  Erneut alles nur Zufälle in der Wahrnehmung? Darf man hier noch die Frage nach der Menschenwürde stellen? Oder ist die Frage in der Kapitalgesellschaft grotesk?

 

Firmen besitzen in der Tat Mitarbeiter, die festlegen, wie gewinnbringend die Patienten zu versorgen sind. Sie sprechen den Patienten so die Menschen würde ab oder teilen Sie nur noch in kleinen Häppchen zu. Das einzelne Schicksal spielt in den Überlegungen so "fast" keine Rolle mehr. Einzelne positive Ausnahmen soll es "noch" geben. Aber die Meinung eines Arztes, der in einer Runde mal die Aussage tätigte, "Dialyse könnte so gewinnbringend sein, wären die Patienten mit ihren Ansprüchen nicht", herrscht vor! Die Vorwürfe aus Hamburg verwundern, ohne zu wissen ob sie der Wahrheit entsprechen nicht. Die Sendung Panorama hat hier ein Beispiel von vielen aufgezeigt.

 

Systemversagen

 

Das System, das als das solidarischste, aber gleichzeitig auch als das teuerste der Welt zählt, sich aber selbst überprüft, versagt in vielen Bereichen. Dabei herrscht bei

 

allen Institutionen teilnahmsloses Dessintresse. Dazu ein Mitglied eines Forums in Facebook: "Ich frage mich gerade jetzt vor der Wahl, warum die großen bundesweiten Patientenverbände sich nicht ganz klar öffentlich GEGEN diese fortschreitende Kommerzialisierung im Gesundheitssystem wenden und öffentlich die Parteien fragen, wie sie dazu stehen. Alle möglichen Lobbyverbände nutzen die Wahl, um auf ihre Interessen aufmerksam zu machen - nur von den Patientenvereinen hört man nichts."

 

Der aktuelle Trend, welcher sich schleichend entwickelt, ist den Patienten zu entmündigen. Der selbstbestimmte Patient, der mit seinen Problemen im Mittelpunkt stehen möchte, stand zu lange einer gewinnbringenden und "medizinisch notwendigen" Versorgung im Weg. Den Trend muss man der Entwicklung der ständigen Kommerzialisierung/Privatisierung zuordnen. Wie vom Patienten im Forum angezeigt.

 

Hoffnung in die Politik?

 

Hoffnung in die Politik nach der Wahl ...?! Wenn die Politik der Autoindustrie bei der Deutlichkeit ihres Fehlverhaltens zum Bürgerschutz keine Grenzen aufzeigt, bleibt die Erwartung in anderen Bereichen, auch im Dialysebereich, eine Illusion! Zudem platziert keiner die Problematik dieser Patientengruppe wahrnehmbar in die Wahlkampfdebatte!

 

Motivation

 

Mir ist sehr bewusst, dass meine Texte keine Veränderungen bringen oder von den Verantwortlichen für diese Situation wahrgenommen werden. Aber wie sagte schon Willi Graf (Widerstandskämpfer) "Jeder Einzelne trägt die ganze Verantwortung." Ich bin verantwortlich für das was ich tue und zulasse. Somit auch dafür, dass kein Mensch auf der Strecke bleibt. Es  gibt nämlich so etwas wie Menschenwürde! Es ist die Grundlage jedes einzelnen Menschen     in unserer Gesellschaft. Menschenwürde gehört jedem, kein Kapital sollte sie jemandem Absprechen oder nur in kleinen Häppchen zuweisen. Verfehlungen werde ich daher immer dokumentieren!

 

So ist meine Motivation beim Schreiben Patienten einfach nur aufzuzeigen, dass ihr Empfinden und Erleben in den Abläufen, keine Ausnahme darstellt. Sie aber hin und wieder mal an ihre Menschenwürde erinnern sollten. Beiläufig habe ich einen Funken Hoffnung, dass es eventuell doch verantwortliche Lesen und für ihr menschliches Versagen eine Sekunde ein moralisches Missempfinden entwickeln. "Jeder Einzelne trägt die ganze Verantwortung." Für Karriere und Kapital muss man nicht alle Wege mit einem Lächeln mitgehen! Es gab doch mal einen Grund den medizinischen Beruf zu studieren oder zu erlernen! Den sollten sich alle Akteure mal wieder in Erinnerung rufen.

 

Wer die Wege in der Medizin ohne Menschlichkeit zum Wohle des Kapitals mitgeht, fördert so nicht nur die Verschlechterung der medizinischen Versorgung, sondern begeht auch „Seelenmord“ am Patienten!