Letzte Hoffnung: Shuntchirurgie Deutschland (Juli 2010)

Letzte Hoffnung: Shuntchirurgie Deutschland (Juli 2010)

 

It's a miracle for Natasha

 

Meine Frau und ich haben eine beispielhafte und humanitäre Hilfsaktion für eine junge russische Dialysepatientin durchgeführt.

 

Vorgeschichte

 

Natasha Shevschenko (26 Jahre) wurde 2007 dialysepflichtig. Um sie an die Hämodialyse anschließen zu können, benötigte sie vor Beginn der Dialysebehandlung einen Dialysekatheter. Aber um einen gut laufenden Dialyseshunt an ihrem Unterarm legen zu können, bedurfte es guter Blutgefäße.

Leider war die Gefäßsituation bei Natasha sehr schlecht und die Shuntchirurgen in ihrem Heimatland hatten keine Erfahrung, ihr eine Lebensader aus ihren eigenen smarten Blutgefäßen zu legen. Somit hatte sie nur die einzige Wahl zum Überleben: über einen Dialysekatheter am Hals zu dialysieren. Wie man weiß, ist dieser Dialysezugang in Deutschland nicht die Wahl, um eine effektive Dialyse zu erreichen.

 

Die meisten Patienten in Natashas Dialysestation dialysieren über Katheter, weil man eine teure bzw. vielleicht komplizierte Shuntoperation umgehen will. Denn als Dialysepatient kommt man direkt auf die Transplantationsliste und wird dann relativ schnell transplantiert (aber meistens nicht erfolgreich, weil die Immunsuppressiva nicht immer zur Verfügung stehen) oder man sowieso früher oder später an den Folgen der schlechten und uneffektiven Dialysebehandlung stirbt. Warum soll man da einen Shunt operieren?

 

Ihr ging es damals sehr schlecht; die Dialyse war nicht effektiv genug und die Medikamente, wie Phosphatbinder oder Kaliumresorbierer wurden ihr nicht bezahlt.

Ebenso wurde ihre persönliche Zukunft, so wie sie sich sie vorgestellt hat, zunichte gemacht. Die Ärzte sagten ihr, sie müsse sich einstellen, dass sie höchstens 6 Jahre mit der Dialyse überleben würde.

Ihr Biologiestudium, ihre Beziehung zu ihren Freunden/innen und die Belastung der Dialyse mit der Angst bald zu sterben, war für Natasha fast unerträglich. Sie fiel in eine tiefe Depression.

Die einzige seelische Unterstützung fand sie ihren Eltern und ihre Schwester. Ihr Leben hatte keine Zukunft.

 

Natashas Eltern wollten ihrer Tochter aus dieser Situation helfen und nicht machtlos darauf warten, bis Natasha durch die urämische Giften ins Koma fällt und an der Vergiftung ihres Körpers stirbt. Sie nahmen Kontakt zu einem befreundeten Ehepaar in Deutschland auf und hörten, dass es hier bei uns gute und erfahrene Shuntspezialisten gibt, die aus feinen und schlechten Venen einen Dialyseshunt bauen können.

 

Eine Lebensader und neue Hoffnung für Natasha

 

Mit ihrem Katheter am Hals und unterdialysiert machte sich Natasha im Frühjahr 2008 auf den Weg nach Deutschland. Natasha erzählte uns: “It was a trip to die or to live?” Sie wusste nicht, was auf sie zukam. Ein fremdes Land, andere Sitten, völlig allein und angewiesen auf fremde Menschen. Aber das befreundete russische Ehepaar aus Koblenz kümmerte sich rührig um Natasha. Sie bemühte sich um einen Kontakt bei der Shuntchirurgin Frau Dr. Frizen in Koblenz. Schließlich bekam Natasha einen Dialyseshunt am linken Oberarm erfolgreich gelegt.

 

Natasha lernte junge Dialysepatienten in der Koblenzer Dialyse kennen und lernte die medizinische Situation in Deutschland kennen, wie die anderen Dialysepatienten hier leben, welchen Lebensmut die meisten jungen Patienten versprühen, und dass es auch eine Zukunft mit der Dialyse gibt. Sie hörte erstmals von der Problematik von Phosphat und Calzium und dem Zusammenspiel zmit dem Parathormon, und dass es zu schwerwiegenden Ablagerungen in den Gefäßen kommen kann. Sie erfuhr, dass viele junge Dialysepatienten in Deutschland fast ein normales Leben führen, einer Arbeit nachgehen und eine Freundschaft und Beziehung eingehen und sogar heiraten.

Mit gestärktem psychischen Selbstbewusstsein und wieder in die Zukunft blickend, flog sie zurück nach Russland.

 

Shuntprobleme

 

Nach zwei Jahren hat sich Natashas Leben völlig verändert. Sie hat ihr Biologiestudium beendet, ist von zu Hause ausgezogen und hat ihren Freund geheiratet.

 

Leider hat sich ihre Lebensader so verändert, dass sie Probleme bekam, mit ihrem Shunt zu dialysieren. Nun lag es nahe, dass sie wieder nach Deutschland kommen wollte, um sich von Frau Dr. Frizen, den Shunt untersuchen und eventuell revidieren zu lassen. Natasha nahm mit Dr. Frizen Kontakt auf.

 

Humanitäre Hilfaktion wird gestartet

 

Frau Dr. Frizen informierte mich, dass eine junge Russin wegen ihres Shunts und eventueller Operation nach Deutschland kommen wolle. SIe erzählte mir, dass die finanzielle Situation von Natasha schlecht sei. Ihre Familie und Verwandten hätten zwar das Geld für die Reise und Operation zusammengelegt, aber vielleicht wäre es ja machbar eine humanitäre Hilfsaktion, ausgerichtet von dem Verein Junge Nierenkranke Deutschland e.V., zu starten, um Natasha die Möglichkeit zu geben, sich in Deutschland ihre Lebensader untersuchen und gegebenenfalls operieren zu lassen, ohne dass ihr Kosten entstehen würden.

 

Ich war, nach Absprache mit meiner Frau und M. Müller einverstanden, und wir setzten uns mit Natasha mittels EMAIL in Verbindung, um sie ein wenig kennen zu lernen und uns ein Bild über ihren Shuntzustand zu machen. Schnell merkten wir, dass wir es mit einer sehr netten und intelligenten jungen Dame zu tun hatten, die sich in einer sehr schlechten gesundheitlichen Situation befand. Da sie sehr gut Englisch schreibt und spricht, gab es keine Verständigungsprobleme.

 

In Natashas Emails berichtete sie uns, dass sie schwere Probleme mit ihrem Shuntarm hat, der dick und angeschwollen sei, und dass ihre Hand kaum durchblutet würde. Sie konnte nachts nicht mehr schlafen, weil der Druck des Shunts ihrem Herz schadete. Die Diagnose vorsichtig ausgedrückt: Stealsyntrom.

 

Also im Vorfeld hatte ich mit Martin Müller und Frau Dr. Frizen und meiner Frau geklärt:

- kostenlose Operation in der Shuntchirurgie der DKD Wiesbaden

- ebenfalls anfallende Untersuchungen und ein Bett in der DKD für drei Tage

- drei Dialysen im KFH Wiesbaden, inckusiv Blutuntersuchungen

- Unterkunft und Verpfegung bei uns

 

Der Flug würde von den Eltern bezahlt werden.

 

Natashas Ankunft in Frankfurt

 

Am Mittwoch, den 28. Juli war es dann soweit, Natasha sollte in Frankfurt ankommen.

 

Meine Frau, mit einer gelben Rose in der Hand, und ich warteten ungeduldig vor dem Ausgang C1 des Frankfurter Flughafens. Eine Tafel zeigte an, dass das Flugzeug aus Moskau Domodedovo gelandet war und das Gepäck schon auf dem Band lief. Wir kannten Natasha nur von dem Foto, das sie uns geschickt hatte. Beate hatte ein Schild geschrieben, wo Natashas Name drauf stand.

Freudestrahlend kam eine Menschentraube durch die Ausgangstür. Viele wurden von Freunden und Verwandten erwartet und fielen sich vor Freude auf das Wiedersehen in die Arme. Als eine junge Frau, die Natasha ähnlich sah, durch den Ausgang kam, aber an uns vorbei lief und nicht das Schild mit ihrem Namen beachtete, kam ich ins Grübeln: War das nicht Natasha?

Beate und ich schauten uns an. “Das könnte sie sein”, sagte ich zu Beate und folgte der jungen Dame, die ein weißes Kleid trug und einen schwarzen Koffer hinter sich herzog. "Sorry, are you Natasha?" Sprach ich sie von hinten an. Sie drehte sich rum und rief: "Hallo Thomas, nice to see you!" Ich machte mit Handzeichen Beate bemerkbar, dass es Natasha war: "Welcome in Frankfurt, my Wife Beate and I'm waiting for you. Welcome," sprach ich Natasha an. “I’m so happy to see you”, sprach sie zu Beate. Ich nahm Natashas Koffer und machte verständlich, dass wir unser Auto im Parkhaus stehen hatten.

 

Direkter Weg zur Shuntuntersuchung

 

Unser Weg führte geradewegs nach Wiesbaden zu Prof. Krönung. Mit Frau Dr. Frizen hatte ich im Vorfeld vereibart, dass wir mit Natasha direkt vom Flughafen zu ihr in die Praxis kommen würden, damit ihr Chef, Prof. Krönung, sich Natashas Shunt anschauen konnte. Am Nachmittag saßen wir dann im Wartezimmer der beiden Shuntspezialisten. Natasha erzählte von ihrer anstrengenden Reise.

 

Sie war 12 Stunden unterwegs gewesen. Sie musste von ihrem Heimatort mit dem Auto fast 3 Stunden zum nächstmöglichen Inlandsflughafen fahren. Von dort mit dem Flugzeug über 3 Stunden nach Moskau und von da aus nach Frankfurt. Sie erzählte uns, dass sie sich aufgrund ihres Aneurysma am Shuntarm am Flughafen entkleiden musste, was ihr sehr peinlich war. Man machte ihr Schikanen und wollte sie nicht weiterfliegen lassen. Als sie dann im Flugzeug nach Frankfurt saß, hatte Natasha geweint, weil sie nicht wusste, was sie noch zu erwarten hatte. Schon das Visum zu bekommen, war im Vorfeld schwierig und mit Problemen verbunden gewesen. Ihr Dialysearzt durfte nicht wissen, dass sie zur Shuntoperation nach Deutschland geflogen war. Natasha sagte ihm, sie würde Urlaub in Russland machen und woanders dialysieren.

Sie hatte keine aktuellen Blutwerte mit gebracht. Die letzten Blutwerte waren 6 Monate alt. Ihr Arzt hätte ihr gesagt, dass es Unsinn wäre, ihre Blutwerte so oft zu bestimmen, da sie sich sowieso nicht ändern würden, sie wäre nun mal an der Dialyse. Ihre Medikation ist mehr als bescheiden. Sie nimmt keine Phosphatbinder, sie kennt kein Vitamin D, und EPO muss sie sich selbst besorgen. Die Patienten in ihrer Dialysestation werden dumm gehalten und haben nichts zu sagen.

Mir wurde ganz schwindelig, als ich das hörte. Das Gesundheitssystem in Russland ist im Aufbau. Es besteht eine massive Unterversorgung an Dialyseeinrichtungen. Viele Ärzte sind korrupt und schöpfen erstmal in ihre eigenen Taschen. Wie muss sich Natasha in diesem System fühlen?

 

Zwischenzeitlich kamen Prof. Krönung und Frau Dr. Frizen aus dem OP. Wir begrüßten uns und folgten den Ärzten in das Untersuchungszimmer. Natasha zog den linken Ärmel ihres Kleids hoch, damit die Ärzte den Dialyseshunt sehen zu können. Ihre Aneurysmata machten Prof. Krönung neugierig. Sein Shuntflussmessgerät stand schon betriebsbereit auf dem Schreibtisch. Mit einem Stethoskop hörte er den Verlauf der Shuntvene ab. Dann setzte er den Schallkopf des Shuntmessgeräts auf Natashas Lebensader und kontrollierte den Durchfluss des Blutes durch die Shuntvene. “Der läuft ja wie der Niagarafall, 3300ml in der Minute und hier oben ist der Abfluss gehindert, wahrscheinlich durch einen früheren Katheter," und zeigte mit seinem Finger an Natashas Hals.

 

Prof. Krönung und Frau Dr. Frizen waren optimistisch, dass man den Shunt bandigen und verschiedene Engstellen bereinigen könne. Am nächsten Tag (Donnerstag) ab 8 Uhr sollte sie für verschiedene Untersuchungen im Krankenhaus sein und die Operation würde am frühen Nachmittag stattfinden. Vorher müsse Natasha noch dialysieren.

 

Also machten wir uns direkt auf den Weg zur Dialyse (KfH Wiesbaden), wo Natasha schon erwartet wurde. Man hatte eine russisch sprechende Dialyseschwester für Natasha Schicht eingeteilt. Die vier Stunden Dialyse gingen ohne Komplikationen vorüber. Danach war Natasha so erschöpft, dass sie bei uns - ohne etwas essen zu wollen - ins Bett ging und die Nacht durchschlief.

 

Shuntbanding

 

Am Donnerstagmorgen fuhr Beate mit Natasha zu Prof. Krönung in die Praxis. Eine CO2 Shunt-Untersuchung, EKG, Thorax und Besprechung mit dem Anästhesisten und OP spezifische Laborwerte wurden bestimmt. Es war von Vorteil, dass Beate sich mit Natasha auf Englisch verständigen konnte. Beate hat Natasha direkt in ihr Herz geschlossen. Um 13:00 war dann die Shunt-Operation, die in Plexus Anästhesie durchgeführt wurde.

 

Am Abend sind wir zu Natasha ins Krankenhaus gefahren, um sie zu besuchen und ihr das Gefühl zu geben, es ist jemand bei ihr und kümmert sich um sie.

 

Als wir in ihr Zimmer kamen, schlief sie so fest, dass wir sie schliefen ließen. Nun war der große Druck weg! Die Shuntchirurgen hatten ihr geholfen. Ihre Lebensader lief wieder normal. Schließlich wurde sie nach einigen Minuten wach. Natasha war überaus glücklich, dass ihr Shunt lief und sie keine Durchblutungsstörungen in der Hand mehr hatte. Die Schmerzen am Herz waren weg, und es pumpte wieder normal. “I’m so happy, my heart is better. It’s like a miracle!”

am Abend kam Prof. Krönung zu Natasha ans Bett und hörte mit seinem Stethoskop ihr Shuntgeräusch ab. Er war sehr zufrieden mit seiner Arbeit. Die Operation, die er wegen der Schwere zuerst auf zwei Operationstermine er doch in einer Operationssession hinbekommen. In einer 3 1/2 stündigen Operation hatte er u. a. die Vene auf 1,5 Liter gebanded. Er hatte die Shuntvene, wo das Riesenaneurysma war, aufgeschnitten und daraus eine glatte Vene modelliert. Ebenso hatte er die Stenosen unter der Plexusanästhesie beseitigt.

 

Nun hatte Natasha das Schlimmste hinter sich. Jetzt durfte es zu keinen Komplikationen kommen. Aus diesem Grund musste Natasha die nächsten 2 Tage im Krankenhaus bleiben.

 

Wir besuchten Natasha täglich und überließen ihr meinen Laptop zum Schreiben von Mails in ihre Heimat. Auf einmal schmeckte ihr das Essen wieder. In den letzten Monaten hatte sie über 10 kg abgenommen, weil es ihr nicht gut ging. Wir staunten nicht schlecht, was sie so verdrücken konnte. Die Operation hatte sie gut überstanden, und wir mussten uns keine Sorge machen. Dr. Frizen kümmerte sich rührend um ihre Patientin. Sie kam täglich und machte Natasha einen frischen Shuntverband. Die Dialyse im KFH Wiesbaden am fol- genden Tag lief mit Single Needle sehr gut. Natasha sagte, sie hätte keine Schmerzen. Ich denke mal, sie wollte, dass wir uns nicht sorgten. Schließlich muss ich es ja wissen, dass man nach einer Shuntoperation Schmerzen hat. Natasha war sehr tapfer.

 

Am Samstag durften wir Natasha mit zu uns nach Hause nehmen. Dr. Frizen schaute sich nochmals die Wunde an und meinte, dass der Arm noch geschwollen sei, aber die Wunde trocken und nicht entzündet sei. Natasha sollte sich noch schonen und den Arm nicht lange nach unten hängen lassen.

 

Überaus glücklich verließen wir drei die Shuntklinik.

 

10 Tage Erholung bei uns

 

Natasha erholte sich zusehends von den Strapazen der letzten Tage. Wir hatten uns Urlaub genommen und konnten uns gut um sie kümmern. Wir fuhren sie zur Shuntkontrolle und Wechsel des Verbands zu Dr. Frizen in die Klinik. Dr. Frizen hatte die Stelle auf dem Arm angezeichnet, wo punktiert werden durfte und so lief die Dialyse über den revidierten Shunt gut.

Natasha hatte nach der Operation noch vier Dialysen erhalten, die sie gut vertragen hatte. Ich habe noch nie so einen glücklichen und dankbaren Menschen gesehen!

Natasha war überaus glücklich, dass man ihr geholfen hatte. “IT’S LIKE A MIRACLE” sagte sie öfters und konnte es kaum glauben, dass es ihr gesundheitlich wieder so gut ging.

In Russland hätte man ihre Lebensader nicht retten können. Sie erzählte uns, dass Shuntchirurgie in Russland - speziell in ihrer Heimat - in den Kinderschuhen stecke. Wo Natasha herkommt, gibt es weit und breit keinen guten Shuntchirurgen, der bei ihren zarten Gefäßen einen anständigen Shunt legen kann. Aus diesem Grund wollten die Gefäßchirurgen ihren Shunt entfernen und ihr wieder einen Katheter legen.

 

Natashas Dialysesituation in Russland

 

Die Dialysesituation in Natashas Heimat (Bashkortostan) ist meiner Meinung vergleichbar mit der Situation vor 40 Jahren hier bei uns. Nur bei uns war das Gesundheitssystem nicht korrupt. Damals gab es bei uns keine Dialyseplätze, daher könnte nur ein Bruchteil der niereninsuffizienten Patienten dialysiert werden. In Natashas Heimatstadt Ufa, gibt es aber mehrere Dialysestationen. Sie dialysiert in einer Abendschicht nach ihrer Arbeit in der Universität. Sie fährt mit dem Bus zur Dialyse und nachts spät läuft sie eine Stunde nach Hause, weil kein Bus mehr fährt. Selten kann sie von ihrem Ehemann abgeholt werden, da er in Schicht arbeitet. Sie kann sich kein Taxi nehmen, da sie die Kosten für die Taxifahrt selbst bezahlen muss. Nur in dringenden Fällen, wenn es ihr nach der Dialyse nicht gut geht, gönnt sie sich in der Nacht eine Taxifahrt. Die Technik und das Equipement in ihrem Heimatdialysezentrum ist von Fresenius und wird von Dialysetechnikern gewartet.

Welche Patienten die Dialyse bezahlt bekommen und somit mit der terminalen Niereninsuffizienz überleben dürfen, weiß sie nicht genau. Natasha meint, man muss in ein bestimmtes Schema passen (z.B. Altersgrenze unter 60, keine Zusatzerkrankungen, und wie ich Natasha verstanden habe, ist es zum Vorteil, wenn man eine Arbeit nachweisen kann und einen Geldgeber in der Familie vorweisen kann oder selbst reich ist, um auch weitere Gesundheitskosten zahlen zu können. Die Dialyse wird aus einem kommunalen Topf bezahlt, d.h. nur wenige Auserwählte kommen in den Genuss, die Dialyse bezahlt zu bekommen. Für Medikamente oder Blutuntersuchungen müssen die Patienten selbst tief in die Tasche greifen.

 

Die Patienten werden dumm gehalten und man sagt ihnen nur das nötigste z.B. zu hohes Kalium ist tödlich. Natasha erzählte uns, dass viele junge Freunde von ihr in den letzten drei Jahren an Herzproblemen durch Hyperkaliämie gestorben sind. Natashas Familie und ihre Patentante aus Moskau (sie ist wohl vermögend) kaufen die Medikamente, die Natasha unbedingt benötigt. EPO, Phosphatbinder, CPS-Pulver, Eisen und blutdrucksenkende Medikamente muss sie sich selbst besorgen und bezahlen. Wenn ihre Patentante mal schlecht gelaunt ist, bekommt Natasha kein Geld für die notwendigen Medikamente.

 

Man kann sich nicht ausmalen, wie sich Natasha fühlen muss, wenn die lebenswichtigen Medikamente mal fehlen.

 

Natasha hatte nun 12 Tage bei uns gelebt. Beate und ich haben noch niemals so eine liebe, freundliche und dankbare Person kennengelernt. Wir haben sie in unser Herz geschlossen. Wir haben in den Tagen nur hilfsbereite Menschen kennen gelernt, die Natasha irgendwie getröstet und geholfen haben. Die Shuntchirurgen Prof. Krönung und Dr. Frizen in Wiesbaden haben ihre Erfahrung und ihr Können unter Beweis gestellt und Natasha wieder eine gut laufende Lebensader gelegt

 

Wir sind froh Natasha kennengelernt zu haben und sind glücklich, dass wir sie hier in Deutschland unterstützen und ihr helfen konnten. Das wichtigste für mich war aber auch, Natasha für ihre Erkrankung zu sensibilisieren und ihr zu erklären, dass sie eigenverantwortlich mit ihrer Erkrankung umgehen muss, und dass sie all ihre Möglichkeiten ausschöpfen muss, um weiterhin ohne größeres Malheur über die Dialyserunden zu kommen.

Ich habe ihr jede Menge Literatur zum Lesen mitgegeben. Medikamente wie, Eisen- und Vitaminpräparate und ein Kästchen CPS Pulver habe ich noch besorgt. Ganz wichtig ist aber auch, dass sie ihre Medikamente regelmäßig erhält, um die Gefahren von zu hohem Phosphat und Calzium und somit eine Erhöhung der Nebenschilddrüsenwerte zu verhindern.

 

Ebenso zählt dazu, dass sie die richtige Punktionstechnik für ihre Lebensader kennt und vielleicht lernt, sich selbst zu punktieren. Mit neuem Lebensmut, mit mehr Kenntnis über die Dialyse und den vielleicht auftretenden Folgeerkrankungen, und ganz viel Sehnsucht nach ihrem geliebten Ehemann und ihrer Familie machte sich Natasha wieder auf den Weg in eine ungewisse und schwierige Zukunft in ihr Land. Wir versprachen ihr, in Kontakt zu bleiben und ihr in unregelmäßigen Abständen notwendige Medikamente und Literatur zum Lesen zu schicken.

 

Hoffendlich hat sie Glück mit ihrem Shunt, und läuft er einige Jahre!

 

Mir ist wieder einmal bewusst geworden, wie die Dialyseversorgung in anderen Ländern ist, und ich lerne mal wieder unsere medizinische Versorgung im deutschen Gesundheitswesen zu schätzen. Auch, wenn wir jährlich unsere Gürtel enger schnallen müssen, geht es uns im Vergleich zu vielen Ländern sehr gut. Man vergisst zu schnell, dass die Option “weiter leben zu dürfen mit der teuren Nierenersatztherapie” nicht umsonst sein kann und die Solidargemeinschaft dies bezahlen muss.

 

Natasha bedankte sich bei der Geschäftsführung der DKD für die kostenlose Operation und den Aufenthalt in der Klinik. Beim KfH bedankte sich Natasha, besonders bei dem Verwaltungsleiter Herrn Wachsmann, dass sie dreimal kostenlos dialysiert werden konnte. Ebenso ging ein Danke an die Schwestern und Pfleger vom KfH in Wiesbaden, die sehr zuvorkommend und freundlich zu Natasha waren. Allen ein dickes Dankeschön für die Bereitschaft und Großzügigkeit Natasha zu helfen. Ein herzliches Dankeschön besonders an Dr. Frizen und Prof. Krönung.


"Ich habe manchmal das Gefühl, die "Schwestern" freuen sich darauf, so ein dünnes, schmales Aermchen zu punktieren

 

bin die Jüngste in meiner Station.... "

 

- schreibt mir Cynthia, die mit ihrer Lebensader Glück hat -

 

"Ich habe manchmal das Gefühl, die "Schwestern" freuen sich darauf, so ein dünnes, schmales Aermchen zu punktieren

 

bin die Jüngste in meiner Station.... "

- schreibt mir Sandra, die mit ihrer Lebensader Glück hat -

 

"Die OP's waren am 1. und 2.10.08", schreibt mir Sandra aus Zürich. Operiert wurde im Stadtspital Waid Zürich durch geführt.

Die zwei Bilder mit den Fäden wurden am 7.10.08, anlässlich einer Kontrolle, gemacht.

 

Mein Eindruck ist, dass sich mein Shunt problemlos punktieren lässt. Anfangs hat nur der Dr. meiner Diastation gestochen, was bei neuen Patienten Standart ist. Mittlerweile werde ich von den Pflegekräften betreut. Das funktioniert immer einwandfrei. Ich habe manchmal das Gefühl, die "Schwestern" freuen sich darauf, so ein dünnes, schmales Aermchen zu punktieren - bin die Jüngste in meiner Station....

Ob er ein "Shuntpapst" ist, kann ich dir nicht sagen - denke, für so einen Titel ist er noch etwas zu jung. Auf jeden Fall ist er sehr nett und ich hatte gute Gespräche mit ihm. Ich habe bei der Recherche gesehen, das der Chefarzt der Abteilung in seinem Portrait den Schwerpunkt u.a. auf Dialysezugänge gelegt hat. Habe PD Dr. Wildi auch kennen gelernt und ebenfalls einen guten Eindruck gewonnen.

 

Ich bin überzeugt, dass im Universitätsspital Zürich auch gute Shunts operiert werden. Das ist die grösste Klinik im Kanton (in gewissen Sparten auch für die deutsche Schweiz) und dort wird auch transplantiert.

 

Ich danke dir für das Kompliment, mein Shunt sei schön und beinahe unsichtbar. Das freut mich sehr:-) Hatte seit November monatlich einen Durchstich mit teilweise gigantischem Hämatom. Anfangs war die Fistel sehr schmächtig - mittlerweile zeigt sie sich beim Stauen ziemlich kräftig. Ich pflege sie regelmässig mit Lymansalbe oder anderer Hautcrème.

 

Mein Eindruck ist, dass sich mein Shunt problemlos punktieren lässt. Anfangs hat nur der Dr. meiner Diastation gestochen, was bei neuen Patienten Standart ist. Mittlerweile werde ich von den Pflegekräften betreut. Das funktioniert immer einwandfrei. Ich habe manchmal das Gefühl, die "Schwestern" freuen sich darauf, so ein dünnes, schmales Aermchen zu punktieren.

 

Bin die Jüngste in meiner Station....

Nun fällt mir nichts mehr zum Thema ein. Wenn du noch Fragen hast, lass' es mich wissen, ok?

Wünsche auch dir einen schönen und sonnigen Tag.

Bis bald und en liebe Gruess us Züri


Shunt-Erstanlage mit Hindernissen - authentischer Bericht


Meine Grunderkrankung kenne ich gut, aber ich habe nicht gerade auf den Dialysestart gewartet. In jedem Sommerurlaub habe ich gehofft, dass der nächste Urlaub auch noch ohne Dialyse sein wird.

 

Im September 2009 dümpelte mein Kreatinin bei 4,16, dann kam zum Jahresende eine Menge Mehrarbeit, zusätzlich zu den „Jahresendzeitvorbereitungen“. Ende 2009 viel mir alles deutlich schwerer, die anfänglichen „1 x im Quartal-Arztbesuche“ fanden dann schon im Abstand von 6-8 Wochen statt. Gefühlt waren die Werte schlecht. Noch näher gefühlt brauchte ich weder eine Silvesterfeier, noch einen Arztbesuch. Meine Arztpraxis kennt mich und meine Eigenarten seit Jahren und so erhielt ich prompt einen sehr netten Anruf im Januar, ich möge mich melden. Das beste, was die Praxis tun konnte! Mit dem freundlich-besorgten „Einfangen“ kam dann auch die Blutentnahme mit den befürchteten Werten zum Vorschein, der Kreatininwert war schlagartig auf 5,65 angestiegen.

 

etzt musste alles schnell gehen, noch im Arztgespräch wurde ein Termin mit Dr. Debbert (Shuntspezialist aus Berlin) vereinbart. Und das bei meiner „Arztallergie“! Viel Vertrauen hatte und habe ich zu meinem Nephrologen, aber dies lässt sich nicht so einfach übertragen. Aber die Aufregung sollte noch nicht vorbei sein. Bislang hielt ich mich für bestens infor-miert, was meine Grunderkrankung betrifft, aber den Shunt betreffend war dies reduziert auf: „Kriegen alle vorher, wäre gut, wenn er rechtzeitig stabil läuft und zwar vor Dialysebeginn, Shunt ist links“. Ein sehr dünnes Wissen, wie ich heute weiß und dankbar bin, meinen Nephrologen Dr. Heyder und den Shuntspezialisten Dr. Debbert als Berater zu haben.

 

Noch in der nephrologischen Praxis wurden die Arme untersucht (u.a. Sono). Am linken Arm keine Anlage möglich, da dort nur „magere Gefäße“ sind, die auch noch seltsam verzweigt sind. Rechter Unterarm, das gleiche Leid! Einzige Möglichkeit Ellenbogen am rechten Arm. Will dass alles gar nicht, ich bin Rechtshänder, kriege ich das alles organisiert? Termin ist schon in der nächsten Woche, was ist mit den Kids, Familie weit weg, Arbeitgeber/Kollegen? Wie schnell passiert jetzt alles? Dann wieder der „coole“ Weg, pah! OP Pflaster drauf und weiter geht's!

 

Termin bei dem Shuntspezialisten

 

Ganz schnell sind wir bei dem Thema „Arztallergie“, ich bestimme selber, mündiger Patient,..! Dr. Debbert ist von der ersten Minute an super sympatisch, erklärt alle Details, macht ganz viel Mut, nimmt sich viel Zeit die Gefäße abzuchecken …und das Ergebnis ist das Gleiche, wie bei meinem Nephrolo-gen, AV-Fistel nur in der rechten Armbeuge möglich. Sowohl meine Ängste, als auch meine Widerstände finden einen Raum bei ihm und schon steht der OP-Termin fest, natürlich mit mir abgesprochen. Mehrfach fordert Dr. Debbert mich auf, wenn ich Nachfragen habe, könne ich ihn jederzeit anrufen, wenn ich Bedenken habe genauso! Habe die Vorstellung drei Tage nach der OP wieder arbeitsfähig zu sein (bin „Schnellheiler“), aber das wird deutlich von Dr. Debbert ausgebremst. Er empfiehlt 3-4 Wochen nach der OP, vorher nicht! Hätte ich nie gedacht, ist das denn so wichtig? Komme schon etwas ins Grübeln, erkenne mein Informationsdefizit, was mich sehr unruhig macht. Trotz Arztallergie gehe ich mit einem guten Gefühl raus und bin nun gut abgelenkt, denn jetzt muss vieles geregelt werden: Einweisung, Krankenkasse, Lebensmitteleinkauf als wenn es nichts mehr geben würde, „Schnellkochkurs“ für die Kids, Kollegen beruhigen, Himmel, was brauche ich denn alles fürs Krankenhaus, wo war denn gleich der Schlafanzug für den „Fall eines Falles“ und ein dickes Buch, denn 4 Tage Krankenhaus sollten es werden.

 

Krankenhausaufnahme /1. Shunt - OP

 

Jetzt geht's los, könnte mich heulend in die Ecke stellen. Schnell noch vorweg die Dialysefibel 3 per Internet bestellt, ne Menge gelesen. Alle Ängste der Welt sind da…aber immer noch „nur“ vor dem Beginn der Dialyse! Für die OP habe ich mich für örtliche Betäubung entschieden, da bin ich eigentlich nicht ängstlich. Dr. Debbert war so nett, mich als erstes auf die OP-Liste zu setzen, nimmt die Aufregung! Eigentlich schon beeindruckend (besonders als chronischer „Nicht-ins-Krankenhausgeher“) geistig anwesend ins OP zu kommen. Herzliche Begrüßung durch Dr. Debbert, der trotz der konzentrierten Arbeit auch noch damit beschäftigt ist, meine Angst zu nehmen und meine unzähligen Fragen zu beantworten, es gibt sogar einiges zu Lachen. Die OP dauert ca. 1,5 Std. und ist auch für mich anstrengen. Ich bin während der ganzen OP schmerzfrei, aber bekomme schon deutlich mit, was da so „matscht und schmatzt“ in meinem Arm. Nach der OP geht's ins Krankenzimmer, ich höre von Anfang an den Shunt, es gibt keine Einblutungen, aber schon heftige Schmerzen, die ich so nicht erwartet habe. Die OP-Narbe sieht gut aus, die Hand bekommt noch eine leichte Schwellung, aber der Shunt macht keine Probleme, dafür mein Kreislauf. Blutdruckabfälle, Himmel, ich habe doch gelesen, dass der Blutdruck nicht zu niedrig sein darf, also spontan die Bludruckmittel halbiert-war eine gute Entscheidung.

 

Wieder zu Hause / 1. Heilungsphase

 

Zu Hause komme ich nur langsam klar, was mich irritiert. Der Shunt macht keine Probleme, heilt gut und schnell ab, aber die rechte Hand ist irgendwie zu nichts zu gebrauchen, aber ich bin auch noch in der „Heilungsphase“. Der Shunt sieht klasse aus, nette saubere Narbe, toll genäht und er surrt und surrt. Täglich bekomme ich mehr Vertrauen zu meinem Shunt, aber meine Hand beginnt mir Sorgen zu machen. Regelmäßige Kontakte mit meinem Nephrologen, alle haben dort irgendwie an mich gedacht, jeder freut sich, dass die Shuntanlage geglückt ist…und ich Ärzteallergiker bin voll des Lobs für Dr. Debbert, dem Shuntchirugen. Die Zeit vergeht, die Schwellung in der Hand ist dann auch nach ca. 2 Wochen weg, aber es ist nicht mehr meine Hand. Nehme ich den Arm hoch, läuft die Hand rot-blau an, Krämpfe entstehen, wenn ich versuche die Hand einzusetzen. Zusätzlich werden jetzt bei Kälte, auch wenn ich etwas mit der rechten Hand tragen will, wenn ich eine Kartoffel halte (ich kann inzwischen mit links schneiden) 3 Finger wachsweiß („Leichenfinger“)

 

mein Shunt in der Heilungsphase

 

Erstes heftiges Erschrecken, der Zustand hält zehn Minuten an und nur durch Reiben unter fließenden, warmen Wasser werden die Finger wieder durchblutet. O.K. also die neu gewonnene Energie wieder aus dem rechten Arm nehmen, mit links bin ich ja nun gut geübt. Einkäufe etc. gehen nicht, weil ich nicht lange draußen sein kann, weil die Finger auch weiß werden durch Kälte. Jede Bewegung mit der rechten Hand (unglaublich wie oft beide Hände benötigt werden!) sorgt für eine Unterversorgung einzelner Finger. Also die fetten Handschuhe der Kids an und Wärmepads dabei und schnell alles erledigen, meist in Begleitung. Arzttermine sind die Obergrenze dessen, was ich schaffe und dies auch meist nur in Begleitung.

 

Aber der Shunt läuft prima und gleichmäßig. Nun treibt es mich ins Internet, Himmel wie unvorbereitet ich doch war! Habe Kontakt zu einem Forum, dort wird mir erklärt, dass die Beschwerden nach 3 Monaten aufhören, gut, halte ich aus, hoffentlich wird alles gut. Ich habe regelmäßigen Kontakt zu meinem Nephrologen, der erst einmal erleichtert ist, dass eine Shuntanlage bei meinen Venen überhaupt möglich war.

 

„Steal“-Diagnose

 

Es beginnt die letzte Woche vor Arbeitsbeginn. Ich unterhalte mich mit einer tollen Schwester in der Praxis, die dann spontan entscheidet Dr. Heyder dazuzuholen.

 

Wir sind uns alle einig, dass der Shunt toll geworden ist und auch schnell verheilt, keine Probleme macht, aber die Hand…? Dr. Heyder entscheidet sich für eine Sonografie und stellt fest, dass der Shunt, der „zart und harmlos“ aussieht, mehr als 2 Liter in der Minute donnert!

 

Jetzt ist auch mein Problem klar, die Hand wird nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt. Meinem Arzt sehe ich sofort an, dass das nicht wirklich gut ist, in meinem Kopf dreht sich alles. Alle Widerstände türmen sich vor mir auf, „ich gehe nicht wieder ins Krankenhaus, ich trainiere meine linke Hand weiter aus, dann brauche ich die rechte Hand nicht mehr, ein Rechtshänder kann auch Linkshänder werden (hat man früher doch auch so gemacht mit den Linkshändern)“, … !

 

Alle Erklärungen meines kompetenten Arztes ziehen wie grauer Nebel an mir vorbei, klar höre ich zu, will dass aber alles nicht mehr, brauche Zeit. Mein Arzt telefoniert mit Dr. Debbert, ich bin nicht mehr ganz „Frau der Lage“. Zu Hause angekommen habe ich einen weiteren Begriff fürs Internet „Steal“ = Anzapfsyndrom, lese viel, verstehe die Problematik, sehe meine Problematik in den Texten gespiegelt. Nur „Wissen pumpen“ hilft diesmal nicht, ich brauche Leute, die das kennen, mir noch mehr erklären können, Berater. Erneutes Telefonat mit meinem Nephrologen am nächsten Tag, nach schlafloser Nacht. Er ruft direkt zurück (!), ich habe Angst, will, dass es andere Möglichkeiten als die Operation gibt. Erschwerend kommt noch hinzu, dass mein Arzt ab der nächsten Woche Urlaub hat, meine Arztallergie kocht auf Hochtouren! Dr. Heyder erklärt mir immer wieder, warum eine neue OP notwendig ist. Der Shunt würde gedrosselt werden, würde aber erhalten bleiben, so dass die Hand dann wieder versorgt werden würde. - „Ich geh nicht, ich geh nicht, ich geh nicht!“ -

 

Letztlich droht Dr. Heyder an, er würde nicht in Urlaub gehen, wenn ich ihm nicht versprechen würde, Dr. Debbert anzurufen. Und das mir als ehemalige Betriebsrätin! O.K. ich verspreche ein Telefonat mit Dr. Debbert zu führen, mehr nicht! Herr Dr. Debbert überzeugt mich zu ihm zu kommen, damit er sich das angucken kann und wir gemeinsam eine Entscheidung treffen können. Wir sind für den Montag verabredet, heute ist Donnerstag und mir platzt der Kopf.

 

Hilfe aus dem Forum

 

Wieder ins Internet, es muss doch noch andere Betroffene geben, die die Problematik kennen, wie haben sie entschieden, gibt es vielleicht doch noch andere Möglichkeiten. Gerate per Google an das DO-Forum, schildere meine Problematik und meine Sorgen, hoffe, irgendjemand liest das und will auch noch antworten…! Dann erhalte ich eine Antwort nach der anderen, teilweise mit Querverweisen zu Fachtexten, fühle mich sehr unterstützt, haben den Eindruck, dass da Leute sind, die mich wirklich unterstützen wollen und fresse mich völlig fest im Forum. Lese viele interessante Sachen, Krankheitsgeschichten, die ich nicht durchleben möchte, höre von mutigen Leuten, die nicht aufgeben und lese viel, was ich in der Fachliteratur nicht unbedingt finde. Bin sehr überrascht und mein Blick für das, was auf mich zukommt wird klarer: Es wird eine erneute OP für mich sein!

 

Vorbereitung zur 2. OP

 

Bei Dr. Debbert ist die Diagnose schnell klar, ausgeprägte Steal-Symptomatik und eine klare Haltung: „Hand vor Shunt“. Aber der Shunt täuscht auch jetzt wieder, Dr. Debbert ist dann sehr überrascht, dass der perfekte und harmlos aussehende Shunt so heftig powert, inzwischen über 2250ml/min. Lange Diskussion, welchen Weg wir einschlagen, bei mir gibt es alle Möglichkeiten gleichzeitig im Kopf…warten…sofort OP…keine OP..! Und inzwischen gibt es sogar die Angst, der Shunt könne durch eine erneute OP einen Schaden nehmen. So schnell gewöhnt man sich an den Shunt, dass ich eher zu der Aussage „Shunt vor Hand“ tendiere. Dr. Debbert hat elendig viel Zeit mit mir und meinen „Anwandlungen“, letztlich überzeugt er mich von der OP und versichert mir, er würde den Shunt nicht zerstören. Der OP-Termin wird noch auf diese Woche gelegt, d.h. wieder 4 Tage Krankenhaus.

 

2. OP

 

Die zweite OP fällt mir deutlich schwerer, wieder in örtlicher Betäubung, aber in Angst um meinen Shunt und den Erfolg des Vorhabens. Alleine schon den Arm gestreckt auf den OP-Tisch zu legen fällt mir schwer, in der Position war er nicht mehr seit Shuntbau. Dr. Debbert ist wieder durch nichts aus der Ruhe zu bringen, beantwortet wieder jegliche Fragen, die ich ununterbrochen zum Druckausgleich stelle. Oberhalb der Shuntnarbe entsteht nun eine neue Narbe, die nicht viel kleiner ist, als die eigentliche Shuntnarbe, aber zu einem späteren Zeitpunkt durchaus auch punktiert werden kann. Nach der OP ist meine Hand schon warm, noch im OP stöpselt Dr. Debbert mir sein Stetoskop ins Ohr, damit ich beruhigt hören kann, dass mein nun gedrosselter Shunt noch arbeitet. Dr. Debbert steht so lange an meinem Bett, bis die Schwestern von der Station mich abholen, echt unglaublich dieser Mann! Er verspricht, am Ende des langen OP-Tages mich noch auf der Station zu besuchen und er tut's auch tatsächlich. Am späten Nachmittag kommt er - das Sonogerät hinter sich her zerrend - ins Zimmer und tritt den Beweis an, dass die Drosselung erfolgreich war. Und nicht nur das, er drückt mir ein Beweisfoto in die Hand, auf der ich die neue Flussgeschwindigkeit ablesen kann. Endlich kann ich schlafen und bin unglaublich dankbar!

 

Heilung

 

Meine rechte Hand ist und bleibt warm, vieles was ich nicht mehr konnte, kann ich inzwischen wieder. Schmerzen hatte ich nur an den ersten beiden Tagen, dann nicht mehr. Ich bin noch vorsichtig, weil alles noch ausheilen muss, aber in einer Woche gehe ich wieder arbeiten. Meine Werte sind wieder besser geworden, mein Krea ist wieder bei 4,1 gelandet, die Dialyse kann also noch warten. Meine Hochachtung gehört meinen starken Ärzten (samt Pflegepersonal) Dr. Heyder und Dr. Debbert, die mit mir harten Hund umgehen konnten und den Leuten aus dem Forum, die an meiner Seite standen. Noch einmal in der Situation würde ich dem Shunt mehr Bedeutung schenken. Die bei mir aufgetretene Stealsymptomatik kann - wie mein Fall zeigt - auch bei einem perfekten Shunt auftreten, entscheidend war es jedoch gute Fachärzte und Berater zu haben, die zeitnah mit mir eine Lösung gesucht haben.


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