Thomas Lehn & Martin Müller
Thomas Lehn & Martin Müller

Eine Zwiebel auf dem Kopf - 02.2008

 

Ich höre gerade Radio und da singt einer etwas von einer Zwiebel auf dem Kopf! Seltsamer Text denke ich, während ich eine E-Mail von Thomas Lehn lese.

 

Diese E-Mail ist ein Auszug von einer E-Mail an ihn und darin steht: "Du, Thomas, bist für mich durch Deine Fitness und Arbeitsfähigkeit nach nunmehr ja wohl über 37 Jahren Dialyse immer ein strahlendes Vorbild das mich motiviert durchzuhalten."

 

Ich gebe zu, Thomas ist für mich nicht nur ein Freund und Vereinskollege sondern wie es die Person ausdrückt, ein Vorbild für meine Krankheitsbewältigung.

Ich überlege, wie muss sich Thomas fühlen, wenn er, von allen Seiten
bestaunt und bewundert wird? Wie jemand der mit einer Zwiebel auf dem Kopf durch die Stadt läuft? Ist es nicht auch manches Mal belastend in solch einer Vorbildfunktion zu leben? Da schöpfen so viele Leute aus einem Menschen für sich Kraft! Aber wo holt er sich die Kraft her, sein Leben zu meistern?

Mich beschäftigt die Frage und ich wende mich damit direkt an mein Vorbild!

“Thomas, wie lebt man als Vorbild für so viele Patienten und wo holst Du Dir Deine tägliche Lebenskraft her?“

 

Martin, es ehrt mich und ich sehe mich auch in einer Vorbildfunktion für andere Mitpatienten. Es ist für andere Menschen beeindruckend, dass ich fast 38 Jahren ununterbrochen Dialysepatient bin. Mich belastet das nicht sondern ich freue mich, wenn ich fast täglich Mails von anderen Betroffenen, aber auch von Leuten, die mit der Dialyse primär nichts zu tun haben, und mir einfach alles Gute wünschen, erhalte. Manche fragen mich um Rat, andere sprechen mir weiterhin Mut und Kraft zu, wünschen mir noch ganz lange Dialysezeit oder nennen mich als ihr Vorbild. Ich bin für den deutschen Pulsus Gesundheitspreis in der Sparte: Kämpfer des Jahres 2008, vorgeschlagen worden, wo die Auszeichnung im März in Berlin an den Sieger vergeben wird.

 

Selbsthilfe

Ein Vorbild oder einen Freund in einer schwierigen Lage zu haben, ist oft ein Strohhalm und Rettungsanker für den Betroffenen. Manchmal zählt die Erfahrung eines anderen Menschen mehr, als tausend Worte eines Arztes. Erfahrungswerte oder Ratschläge von anderen Mitbetroffenen, die das Gleiche schon mal erlebt haben, nehmen Ängste und machen Mut: Wenn der das schafft, schaffe ich das auch. Das Prinzip der Selbsthilfe dieser Gemeinschaftsgedanke ist das Prinzip der Selbsthilfe. Wir helfen uns gegenseitig. Zusammen sind wir eine starke Truppe.

 

Aber ein Kämpfer hat auch mal einen schwachen Kampf.

 

Ich habe es bisher geschafft und bin daher in der wunderbaren Lage, sehr lange schon mit der Dialyse am Leben gehalten zu werden.  Ich habe in den vergangenen Jahrzehnten einiges durchgemacht und werde bestimmt in Zukunft noch einige gesundheitliche Strikes erleben. Ich halte manchmal starke Schmerzen aus, hatte bisher viele Shunt Ops und ich war schon der Verzweiflung nahe oder ich sah keinen Horizont mehr.  Manchmal frage ich mich: Warum ich? Soll dass mein ganzes Leben so weitergehen? Nun, zum Glück habe ich diese Gedanken ganz selten. Aber immer dann, wenn mal wieder etwas Ungewöhnliches auf mein positive Persönlichkeit tritt: Am vergangenen Freitag saß ich meiner Augenärztin gegenüber, als sie zu mir sagte: „ Die Augenuntersuchung hat ergeben, dass Ihr Sehnerv geschädigt ist, und das ist nicht mehr reparabel. Aufgrund der Gesichtsfeldausfallmessung und des hohen Augendrucks ist das deutlich zu sehen. Es muss die Ursache schnellstens abgeklärt werden, sonst werden Sie blind “ gab sie mir nach einer Routineuntersuchung zu verstehen. Bei mir macht es Klick und meine Gedanken überschlagen sich: Ich werde blind. Ich habe einen Tumor im Kopf, ich habe Durchblutungsstörungen im Gehirn, und, und so weiter. Langsam bricht eine Welt für mich mal wieder wie ein Kartenhaus zusammen! Der Kämpfer ist am Aufgeben?? Aus dieser Situation zu kommen, um wieder in die Realität zu gelangen, um klare Gedanken fassen zu können, habe ich meine Frau, meine engste Vertraute, der ich mich öffnen kann. Sie ist einfühlsam und schafft es, mich zu beruhigen und mich auf den Teppich zurückzuholen.  Für mich, als medizinisch aufgeklärten Patienten aber ängstlichen Menschen bedeutet nun alle möglichen Auskunftsquellen anzuzapfen. Ich rufe meinen Dialysearzt an und frage ihn Löcher in den Bauch, ich google im Internet nach Glaukom und Langzeitdialyseschäden. Da werde ich zwar zum Teil fündig, aber das genügt mir nicht. Als praktizierter Selbsthilfebefürworter schreite ich nun zur Tat. Ich schildere meine Situation einer anderen Betroffenen, die selbst schon einmal in der Situation war, und frage meine Kollegen aus der Selbsthilfe, die sehr viel Ahnung im medizinischen Bereich haben. Wie es sich nun zeigt, wird in Kombination mit allen Informationsquellen und mit der behutsamen psychologischen Hilfe meiner Frau, meine Ängste und Befürchtungen weitgehend ausgeräumt und ich begebe mich, erstens mit Wissen über den Glaukom und zweitens mit weniger Angst zu den Spezialisten in die Augenklinik. Das ist mein Beispiel für die Bewältigung eines akuten Problems. Für die zentrale Bewältigung meiner Krankheit ist mein unmittelbares Umfeld verantwortlich. Meine Familie, meine Freunde, mein harmonisches nicht mit Langweile geprägtes Leben, geben mir die Kraft, meine Dialyselebenszeit zu ertragen. Genauso wie gute Zeiten, Urlaub und kurzfristige Ziele setzen, aktiv bleiben, soziale Kontakte pflegen das sind die Eckpunkte, die mir ebenfalls die Stärke geben, meine Situation zu verkraften.

 

Du siehst Martin, ich bin auch nur ein schwacher Mensch, der nicht nur anderen hilft, sondern auch Hilfe benötigt. Und irgendwann verliert ein Kämpfer auch seinen Kampf...

Im Radio, hier an meinem Krankenbett in der Augenklinik läuft das Lied von Ich und Ich:

Und du glaubst ich bin stark und ich kenn den Weg.
Du bildest dir ein, ich weiß wie alles geht.
"O" Du denkst ich hab alles im Griff und kontrollier, was geschieht.
Aber ich steh nur hier oben und sing mein Lied.
Ich steh nur hier oben und sing mein Lied.

 

Danke Thomas für Deine sehr offene Antwort!


Interview mit Thomas Lehn 48 Jahre an der Dialyse


Im Jahre 2006 hatte ich das Vergnügen mit Thomas Lehn, der damals 37 Jahren ununterbrochen dialysiert (2017 48 Jahre Dialyse) und voll berufstätig ist, der viel verreist und Heim-Hämodialyse macht, ein Interview zu führen. Lesen Sie nun das Interview das auch heute noch aktuell ist gerde zum Thema Heimdialyse.

 

Martin Müller:

 

Thomas Du bis jetzt 37 Jahre an der Dialyse und hast sicher schon viel in der zurückliegenden Zeit erlebt. Was war dein prägendes Erlebnis über all die Zeit und wie geht es Dir nach dieser langen Dialysezeit?

 

Thomas Lehn: Hallo Martin, wenn Du mich so fragst, gibt es zwei Erlebnisse, an die ich immer wieder erinnert werde, wenn es mir z.B. schlecht geht: Am 20. August 1970 lag ich tod-sterbens-krank,  zeitweise ohne Bewusstsein, blind, bedrohlich hoher Blutdruck, mit mehr als 10 Liter Wasser im Körper und am Ersticken nahe, auf der Intensivstation der Chirurgie in Heidelberg. Mein damaliger Lebensretter Dr. Schüler, der leider vor zwei Jahren, im Alter von 74 Jahren verstarb, hielt  meine Hand und tastete erst meinen linken dann meinen rechten Unterarm nach Blutgefäßen ab. Wenn ich nicht, wegen den urämischen Gifte, die sich in meinem Körper befanden und dem Wasser in mir, sterben wolle, müsse er mir schnellstmöglich in einer Notoperation   einen Scribner Shunt legen; einen Anschluss für die Hämodialyse. Ich sah Dr. Schüler nicht, aber ich hörte ihn jenen Satz zu mir sagen, der sich  mir bis heute eingeprägt hat: „Kopf hoch, mein Junge, dass kriegen wir schon  hin. Du schaffst das schon, Du wirst weiterleben!“  Die Lebenserwartung mit der Dialysebehandlung zur damaligen Zeit war 2 Jahren.

Ein weiteres prägendes Erlebnis war ein schwerer Autounfall in der Schweiz, an dem ich lebensgefährlich verletzt wurde. Weil man mich in Bern nicht dialysieren konnte, wurde ich mit der Schweizer Rettungswacht in einem Lear-Jet nach Heidelberg geflogen. Beides mal bin ich dem Tod von der Schippe gesprungen. Das waren für mich Zeichen, dass man im Leben Zuversicht haben muss und  nicht den Kopf hängen lässt und aufhört zu leben.

Heute nach 37 Jahren Dialysebehandlung muss ich Dir sagen, dass ich das Verfahren   immer noch sehr gut vertrage. Auf jeden Fall besser, als in den Anfangsjahren meiner Dialysebehandlung, wo Übelkeit, Kopfschmerzen, Krämpfe, Fieber und Blutverluste an der Tagesordnung standen. Es bleibt leider nicht aus, dass man nach der langen Dialysezeit Probleme mit den Knochen und den Gelenken bekommt.

 

Martin Müller: Wir haben uns auf einem Seminar 2004 in Bonn kennengelernt.  Du hast damals mit Deiner Frau Beate einen Vortrag zum Thema Heimdialyse gehalten.

 

Thomas Lehn: Beate habe ich kennengelernt als sie 15 Jahre alt war. Wir haben eine tolle Jugendzeit erlebt mit Höhen und Tiefen, alles was ein gesundes Liebespaar  in dieser Zeit auch durchlebt. Durch meine Dialyse hatten wir natürlich zusätzliche Probleme zu meistern und einige Hürden zu nehmen. Als wir beim Seminar über unsere Heimdialyse sprachen, haben wir festgestellt, dass die Leute dort die gleichen Probleme, wie wir sie hatten, durchlen. Sie waren interessiert, wie wir Dialyse und Privatleben unter einen Hut bekommen.

 

Martin Müller: Wie ich in der Einleitung schon erwähnte, stehst Du voll im Berufsleben. Wie viele Jahre arbeitest Du schon?

 

Thomas Lehn:Ich habe meine Ausbildung im Rehabilitationszentrum Heidelberg-Wieblingen 1980 beendet. Seit Oktober 1980 arbeite ich als Systemprogrammierer im Landesbetrieb für Daten und Information (Öffentlicher Dienst).

 

Martin Müller: Wie lange ist Dein Arbeitstag?

 

Thomas Lehn: Ich habe flexible Arbeitszeiten. Da ich meistens abends spät-  und an Dialysetagen nachts ins Bett komme, stehe  ich  morgens  erst  um 8:00 Uhr auf. Manch mal wird es auch später. Dafür muss ich dann bis abends arbeiten.

 

Martin Müller: Hast Du durch Deine Erkrankung neben 5 Urlaubstagen noch weitere Vorteile oder Vereinbarungen bei Deinem Arbeitgeber?

 

Thomas Lehn:Mein Arbeitgeber hat Anfang des Jahres alternierende Pilot - Telearbeitsplätze eingerichtet, worauf ich mich beworben habe. Ich arbeite nun an zwei Tagen in der Woche von zu Hause aus, was für mich, als Dialysepatient, sehr vorteilhaft ist.

Außerdem trifft bei mir die Integrationsvereinbarung zwischen Schwerbehindertenvertretung und Geschäftsstelle zu, in der festgelegt ist, dass Dialysepatienten aufgrund der abendliche Dialysebehandlung am folgenden Tag zwei Zeitstunden zur Erholung gutgeschrieben bekommen.

 

Martin Müller: Hast Du viele Fehlzeiten wegen Krankheit auf der Arbeit?

 

Thomas Lehn: Ich habe aufgrund meiner Behinderung nicht mehr Fehlzeiten als meine gesunden Mitarbeiter.

 

Martin Müller: Seit wann machst Du Heimdialyse und was war der Grund, dass Du Dich dafür entschieden hast? Ist es nicht bequemer im Dialysezentrum zu dialysieren?

 

Thomas Lehn:Bevor ich mit der Heim-Hämodialyse begann, fuhr ich über 100 km nach Heidelberg zur Dialyse. 3mal pro  Woche nach der Arbeit und kam nachts, als Beate schon schlief, nach Hause. Wir sahen uns kaum noch, vielleicht einmal am Wochenende.

 

Zu diesem Zeitpunkt arbeitete Beate, die eine Ausbildung als Krankenschwester absolvierte, auf der chirurgischen Station des Hildegardiskrankenhauses und hatte auch Wochenenddienst. Beate meinte, so kann es nicht weitergehen und schlug vor, einmal ein Beratungsgespräch wegen Heimdialyse mit den Ärzten im KfH Mainz zu führen. Wir unterhielten uns mit den Ärzten und nach dem Gespräch waren wir uns einig:

Wir machen Heimdialyse! Für die meisten Mitbetroffenen ist es bequemer im Zentrum zu dialysieren, weil man die Dialyse praktisch vorgekaut bekommt und sein Ego im Kleiderschrank ablegen kann. Ich bin für meine Gesundheit selbst verantwortlich, dazu gehört auch meine Dialysebehandlung. Die Vorteile einer Heim-Hämodialyse sollte man nicht verschweigen. 

 

Martin Müller: Wäre Dein Alltag überhaupt mit der Zentrumsdialyse zu vereinen?

 

Thomas Lehn: Ich denke schon, dass mein Alltag mit der Zentrumsdialyse zu vereinen wäre. Es ist fast in jedem Dialysezentrum möglich, am Abend zu dialysieren. Natürlich hätte ich Freizeiteinbußen, da ich an einem festen Dialyseregime gebunden wäre. Dies hätte Auswirkungen auf meine und Beates Lebensqualität.

 

Martin Müller: Viele, die ich kenne, machen, um  freier zu sein, Nachtdialyse. Währe das für Dich eine Alternative, wenn Heimdialyse nicht mehr möglich währe?

 

Thomas Lehn:Limited Care-Dialyse in der Nacht wäre zur Heim-Hämodialyse eine Alternative für mich. Dies käme aber nur in Frage, wenn ich keinen Dialysepartner hätte.

 

Martin Müller: Wenn Du mal in einem Zentrum dialysieren musst, weil Deine Frau beruflich unterwegs ist, empfindest Du dann Deine Krankheit und die Abhängigkeit von der Maschine stärker als zu Hause? Gibt es überhaupt einen Unterschied?

 

Thomas Lehn:Es kommt im Jahr vor, dass ich 1 bis 2mal im Zentrum dialysiere. Eigentlich denke ich nicht an Abhängigkeit. An Abhängigkeit werde ich nur immer dann  erinnert, wenn mein Shunt Problememacht. Im Dialysezentrum habe ich Zeit, Schwestern zu schikanieren, ihnen beim Blutdruckmessen in den Ausschnitt zu schauen und meine Mitbetroffenen gegen das Personal aufzuhetzen! Spaß bei Seite: Es ist für mich interessant, wie stressig es in einem Dialysezentrum zugeht. Daher bin ich immer wieder glücklich, zu Hause in meiner ruhigen privaten Umgebung zu dialysieren. Martin Müller: Soso... den Schwestern in den Ausschnitt schauen! In dem Zusammenhang erinnere ich mich gerne an die Kinderklinikzeit zurück! Thomas Lehn: Lacht.....

 

Martin Müller: Als Heimdialysepatient benötigt man einen Partner. In Deinem Fall ist es Deine Frau Beate. Sie hat einen sehr stressigen Beruf und ist oft mit dem Flugzeug im In/Ausland unterwegs. Wie schafft ihr immer wieder die terminliche Absprache der Dialyse? Ich stell mir das sehr schwierig vor!

 

Thomas Lehn: In der Regel ist die terminliche Absprache bei uns kein Problem. Für mich hat es höchste Priorität,  dreimal in der Woche zu dialysieren. Wir haben keinen  festen Dialysetag. Beate richtet ihre berufliche Termine nach meiner Dialysezeit.

 

Martin Müller: Es gibt nur wenig Heimdialysepatienten in Deutschland. Gründe dafür gibt es viele. Oft wird die Heimdialyse  von den Zentren nicht angeboten. Oder es fehlt der Partner. Wie findest Du es, dass die Heimdialyse von Zentrum nicht als Alternative angeboten wird?

 

Thomas Lehn:Es gibt sicher die verschiedensten Gründe, dass es weniger als 1%  Heim-Hämodialysepatienten in der Bundesrepublik Deutschland gibt. Wie Du weißt, ist das Durchschnittsalter der Betroffenen, die an die Dialyse kommen auf 70 Jahre angestiegen. Diese Patientengruppe ist eher  nicht für die Heimdialyse geeignet. Weiterhin kommen Patienten hinzu, die eine Zweit- oder Dritterkrankung (z. B. Diabetes) haben. Man rechnet damit, dass bei diesen Patientengruppen während der Dialyse Komplikationen auftreten könnten. Dann gibt es Betroffenen, die keinen Partner haben oder zu Hause keinen Platz für die Maschine. Die meisten Zentren, die nicht am KFH oder PHV angeschlossen sind, bieten keine Heimdialyse aus organisatorischen oder aus wirtschaftlichen Gründen an.

 

Martin Müller: Wenn man Ärzte nach dieser Möglichkeit der Dialysebehandlung fragt, sprechen die nicht gerade positiv über die Heimdialyse. Ein Ausspruch, den man immer wieder hört: „Was wollen sie zu Hause tun, wenn ein Zwischenfall eintritt?“ oder „Zuhause sind sie allein, im Zentrum können wir sie in jedem Fall gut versorgen.“ Die Leute sind dann verängstigt und denken über die Möglichkeit nicht weiter nach. Kennst Du diese Gespräche auch? Gab es überhaupt schon mal ein Zwischenfall bei Dir zu Hause, wenn ja, welchen und was musstet ihr tun?

 

Thomas Lehn:Einige wichtige Vorraussetzungen, um zu Hause dialysieren zu können, sind: Kreislaufstabilität, ein gut funktionierender Shunt, der problemlos zu punktieren ist,

man muss psychisch stabil sein und einen Partner zur Seite haben.

Bei uns trat noch nie ein ernsthafter Zwischenfall ein. Als erfahrener Patient kannst Du selbst einschätzen, wenn der Blutdruck in den Keller geht oder Krämpfe auftreten. Es ist außerdem immer ein Arzt telefonisch erreichbar.  Wenn die Maschine oder Osmose  ihren Geist aufgibt, hat man immer noch genügend Zeit, um abzuhängen. Die Techniker vom KFH haben rund um die Uhr Rufbereitschaft.

Einmal hat es in der Nachbarschaft gebrannt, sodass die Feuerwehr das ganze Wasser benötigt hat, und meine Maschine Wassermangel anzeigte. Da ich schon vier Stunden an der Dialyse war, beendeten wir die Behandlung.

 

Martin Müller: Sind alle entstehenden Kosten für den Umbau/ Ausbau des Dialysezimmers (Wasserverlegen, Stromverlegung, tapezieren usw) bei der Heimdialyse abgedeckt oder muss man bei Wasser und Strom drauf zahlen?

 

Thomas Lehn:Ich werde durch das KFH Mainz betreut, dass für den Heim-Hämodialysepatient folgendes regelt: Die Installationskosten für Wasser- und Stromanschluss werden übernommen. Außerdem werden Dialyseliege, Beistelltisch, Waage etc. gestellt. Im Rhythmus von 3 Monaten wird das Material (Kapillarniere, Schlauchsysteme, Konzentrat, Spritzen etc.) geliefert, das notwendig ist, um die Dialyse durchführen zu können. Eine Unkostenpauschale von 110,- Euro pro Monat sollen Strom-Wasser-Müll- und Telefonunkosten abdecken.

 

Martin Müller: Kann man das Dialysezimmer bei der Steuer geltend machen?

 

Thomas Lehn:Das Dialysezimmer kann man bei der Steuererklärung wie ein Arbeitszimmer  geltend machen.

 

Martin Müller: Gerade hatten wir einen Todesfall im Verein. Die Ursache war, man kann es kaum glauben eine falsche Diagnose. Nach dem man nach einigen Untersuchungen keine Diagnose stellen konnte, vertraten die Ärzte die Meinung, die Symptomatik währe psychischer Natur. Dies war eine fatale Fehleinschätzung, die zum Tode führte!  Wie kann man sich Deiner Meinung nach als Patient vor solchen ärztlichen Fehlern schützen?

 

Thomas Lehn: Es stimmt mich auch traurig, aber auch wütend, dass solche Fehler vorkommen. Aber Ärzte sind auch nur Menschen. Menschen machen nun mal Fehler und leider sind manche Fehler so fatal, dass Menschen sterben müssen. In diesem Fall ist es besonders schmerzlich, weil es sich um einen Freund von uns handelt. Es ist in der Tat so, dass manche Ärzte ihre Patienten  nicht für gleichberechtigt halten, ihnen Therapien vorenthalten, aufgrund ihrer Budgetierung keine oder weniger  Medikamente verschreiben, durch Überarbeitung falsche Diagnosen stellen, keine Zeit für den Patienten haben oder  nur erste Klasse-Patienten behandeln.   Für mich ist das nicht verständlich. Natürlich ist  heutzutage ein Arzt nicht nur Mediziner, er ist auch ein Geschäftsmann. Aufgrund des maroden Gesundheitssystems hier in Deutschland kann ich  nachvollziehen, dass  es die Ärzte schwer haben. Aber trotz allem, darf nicht der Eid des Sokrates, der jeder Arzt bei seiner Approbation leisten muss, in Vergessenheit geraten.

 

Es liegt an jedem Einzelnen von uns, wie er es mit seinem Arzt hält. Wenn Dein Arzt Dich als kompetenter gleichgestellter Partner sieht, wird er ganz anders mit Dir umgehen. Für mich ist ein Arzt ein Berater, der sein erlerntes Wissen mir darlegt. Bin ich aber skeptisch oder vertraue ihm nicht, werde ich einen anderen Arzt konsultieren und nach seinem Rat fragen. Wenn ich überzeugt bin und die Meinungen sich gleichen, entscheide ich mich. Ich denke, man ist selbst verantwortlich für seine Gesundheit, bei Shuntproblemen, bei der Dialysebehandlung, eigentlich bei Allem, was mit mir passiert

 

Martin Müller: Möchtest Du unseren Leser zum Abschluss unseres Gespräches noch etwas sagen?

 

Thomas Lehn:The life is strong, but beautiful! Lebt Eure Träume solange Ihr könnt!

Macht das Beste aus Eurem Leben ........  mit der Einschätzung und Wissen Eurer Krankheit, mit  Disziplin beim Essen und Trinken, Einhaltung einer langen und kontinuierlichen Dialysezeit, einer positiven Einstellung zum Leben, einer guten und medizinischen Betreuung, natürlich  Glück und einen guten Draht zu Gott, der Glaube, den Rückhalt  der Familie und guten Freunden und ein gutes soziales Umfeld, dann kann man trotz Dialyse  ein fast normales Leben führen. 

 

Martin Müller: Ich danke Dir für das Interview!