Wenn Patienten zur Randnotiz werden – ein Kommentar zur Krise an der SHG Völklingen.

Exodus in Weiß – und keiner stoppt den Vertrauensverlust

31.07.2025 -Von Martin G. Müller (Selbsthilfevertreter und Chronischkranker)

Was derzeit an den SHG-Kliniken in Völklingen passiert, ist mehr als ein interner Konflikt – es ist ein Schauspiel auf offener Bühne, bei dem die Hauptrolle längst nicht mehr die Klinikleitung spielt, sondern die Frage: Wer schützt hier eigentlich noch die Patienten?

 

Es ist ein lehrbuchreifes Beispiel dafür, wie eine Klinikführung mit ihrem Personal umgeht – und dabei vergisst, dass hinter jedem guten Arzt und jeder engagierten Pflegekraft nicht nur ein Arbeitsvertrag steht, sondern ein Vertrauensverhältnis, das über Jahre zueinander und zu den Patienten gewachsen ist. Vertrauen aber, das zeigt sich gerade, zählt im Haus der SHG Völklingen offenbar nicht viel.

 

Denn wenn exzellente Mediziner wie Prof. Dr. Sester – ein Arzt mit menschlicher Haltung und fachlicher Tiefe, der für viele chronisch kranke Patienten ein verlässlicher Anker war – durch strategischen Druck oder administrative Daumenschrauben sich zur Aufgabe gezwungen fühlt – und aus dem Haus abgeführt wird (Quelle SZ 26.07.2025)  – dann brennt es nicht nur lichterloh hinter den Kulissen. Dann brennt es auf den Stationen. Und das trifft – wie immer – die Hilflosesten, nämlich die Patienten, zuerst. Ein so renommierter Arzt hat obendrein menschlich keine solche Behandlung verdient!

 

Dass mit ihm auch profilierte und exzellente Oberärztinnen wie Dr. Mihm und Dr. Weich das Haus verlassen haben, ist sicher kein Zufall, sondern zeigt Rückgrat und Konsequenz.


Eine langjährige Patientin, Sabine Kügler, brachte es mir gegenüber auf den Punkt: „Dieses Verhalten gegenüber Ärzteschaft und Pflegepersonal ist einfach nur noch unterste Schublade. Und keinesfalls mehr als kleinteilig abzutun. Prof. Sester sowie den beiden Oberärztinnen verdanke ich mein Leben.“

 

Diese Worte spiegeln wider, was vielen Betroffenen durch den Kopf geht: Wer diese Ärztinnen und Ärzte – auch in anderen Fachbereichen – in der Masse aus dem Haus drängt, trennt Patienten von den Menschen, denen sie ihr Überleben verdanken, da sie Klinik und Ärzten ihr Vertrauen schenkten.

 

Dass auch Chefarzt Dr. Raddatz und weitere renommierte Mediziner binnen kürzester Zeit im offenen Protest gegen die Personalpolitik von Geschäftsführer Prof. Dr. Adolph das Haus verlassen haben (Quelle SZ und SR), ist längst mehr als eine Personalie – es ist ein Warnsignal. Doch das scheint im Saarbrücker Schloss niemand so hören zu wollen, denn nach fast einem Jahr dieser Abläufe, wurden noch keine klaren und schnellen Strukturen geschaffen die Ruhe und Sicherheit für die Patienten hier bewirken.

 

Statt zu handeln, wird eher weggeschaut, hat man den Eindruck. Statt die Situation im Sinne der Patientensicherheit schnell zu klären, lässt man sie weiterlaufen – eine Posse auf Kosten derer, die medizinische Kontinuität am nötigsten brauchen. Besonders chronisch Kranke – wie etwa Herz-, Krebs- und Nierenpatienten – sind auf langfristige ärztliche Beziehungen angewiesen.

 

Und als ob das nicht reicht, meldeten sich 35 Assistenzärzte mit einem offenen Brandbrief in der Presse zu Wort. Die Vorwürfe darin sind schwerwiegend. Die Atmosphäre in der Klinik, so der Tenor, sei vergiftet. Wenn junge Ärzte solche Worte wählen, sollte die Politik aufhorchen. Doch aus dem Gesundheitsministerium: kaum eine Wortmeldung – man sieht sich eher als Vermittler. Aus dem Landtag: Abwarten. Stattdessen überlässt man die Deutungshoheit der SHG-Kommunikationsabteilung – mit PR-Filmchen und Durchhalteparolen in sozialen Medien. Währenddessen, glaub man den zahlreichen Presseartikeln, marschieren Chef- und Fachärzte – zum Leid so zahlreicher Patienten – in einer regelrechten Kündigungs-Polonaise durch den Hinterausgang ab. So versteht es der Patient beim Lesen der Artikel.

 

Ein Arztwechsel ist für Kranke kein Verwaltungsakt, sondern ein emotionaler und gesundheitlicher Einschnitt mit unzähligen Ängsten. Mit welchen Gefühlen betritt ein Patient ein solches Krankenhaus, wenn Pflegekräfte und Ärzte über die Presse warnen, dass die Behandlungsqualität nicht mehr voll gegeben sei und sie aus Protest, wie dargestellt, abwandern? Doch in keiner Pressemitteilung, in keiner Reaktion der Klinikspitze, in keinem Statement der Politik kommen diese Betroffenen oder deren Stimmen vor. Die Patienten – sie sind in all den Diskussionen kaum mehr als eine Randnotiz.

 

Die SHG will die Öffentlichkeit – darunter eben auch wir Patienten – offenbar glauben machen, dass sich mit etwas „langjährigem Personal“ und Loyalität nach innen alles kitten lässt. Das ist ein gefährliches Spiel. Vertrauen lässt sich nicht vorspielen – Vertrauen geht mit den Menschen, die es zu ihren Patienten aufgebaut haben. Sicher geht immer mal ein Arzt zum Leidwesen der Patienten, aber dann ist noch der Rest des Teams da, der ihn kennt. Hier aber sind alle zur gleichen Zeit schon teils gegangen!


Und der Patient? Er bleibt hoffnungslos in ernster gesundheitlicher Lage zurück und hat neue Gesichter vor sich sitzen, die er nicht kennt.

 

Die Frage, die sich jetzt stellt, ist nicht mehr nur: Wer hat hier Recht? Sondern: Wer trägt die Verantwortung dafür, dass das Vertrauen so fahrlässig über fast ein Jahr hinweg verspielt wurde? Und: Wo ist eigentlich die Landespolitik? Soll die Klinik Völklingen bewusst geschwächt werden? Droht dem Standort der Verlust des Lehrkrankenhaus-Status? Nach dem Weggang der zentralen medizinischen Führung ist das nicht ausgeschlossen. Wie geht es mit dem Herzzentrum weiter? Welche Zukunft hat eine Klinik, in der Ärzte nicht mehr bleiben wollen – und Patienten so nicht mehr bleiben können? Oder wegen des nun entstandenen Ärztemangels noch länger auf wichtige Eingriffe warten müssen? Wo ist die öffentliche Stimme für dies teils schwer kranken Menschen?!

 

Wenn man verhindern will, dass der Exodus weitergeht, braucht es mehr als Durchhalteparolen. Es braucht einen klaren Schnitt. Prof. Dr. Adolph muss gehen – nicht versetzt, sondern ersetzt. Dass er jetzt am Standort Sonnenberg weiterwirken soll, macht Patienten fassungslos. Auch Geschäftsführer Mege, der die Entwicklungen über Jahre mitgetragen hat, sollte den Weg für einen personellen Neuanfang freimachen. Nicht aus Missgunst, sondern weil die Situation einfach eskaliert ist. Ebenso müssen Personalchefin Bollinger und Pflegedirektorin Keller in die Verantwortung genommen werden – denn unter ihrer Führung wurde systematisch auf allen Seiten, auch bei den Patienten, Vertrauen in einer unglaublichen Weise zerstört.


Es geht hier nur um eines: um die Versorgung kranker Menschen! Setzen Sie sich alle an einen Tisch – mit Einbezug der Selbsthilfe oder Patientenvertreter – und leiten Sie im Sinne der schwerkranken Patienten einen kompletten Neuanfang ein. Und zwar schnell! Die Patienten brauchen jetzt Ruhe – und müssen wieder echtes Vertrauen in die Klinik und ihre Abläufe gewinnen können.

 

Die SHG war einmal ein Ort für Patienten, an dem große Medizin geleistet wurde. Sie hat über Jahre hinweg exzellente Ärzte ausgebildet – in der Kardiologie, Urologie, Nephrologie und darüber hinaus. Diese Tradition darf nicht durch Managementversagen und politisches Zögern verspielt werden.

 

Als Selbsthilfevertreter sage ich deshalb ganz klar: Die Selbsthilfe warnt derzeit ihre Mitglieder, genau hinzusehen, wem sie hier aus dem Patientenbett noch Vertrauen in der Behandlung schenken. Ich denke, ich spreche hier im Sinne vieler Kolleginnen und Kollegen, wenn ich sage: Wir fordern jetzt zeitnah klare Entscheidungen, personelle Konsequenzen – und vor allem: dass endlich die Perspektive der Patienten ernst genommen wird.

 

Diese Posse, die hier zum Leidwesen der unbeteiligten Patienten ausgetragen wird, muss ein Ende finden. Denn es geht hier nicht um Egos und Posten – es geht, um es noch einmal zu wiederholen, um Gesundheit, um medizinische Sicherheit und um das elementare Gut des Vertrauens, ohne dies ist keine erfolgreiche Behandlung möglich.

 

Der Respekt gilt all jenen Mitarbeitenden, die unter diesen Umständen den Klinikalltag – sicher oft über ihre Belastungsgrenze hinaus – am Laufen halten. Sie leisten Großes. Doch auch sie brauchen eine Perspektive. Und die beginnt mit einem mutigen, aber ernstgemeinten Neuanfang. Wer Vertrauen und medizinische Qualität so verspielt hat, kann keine Klinik führen, in die Patienten noch Vertrauen haben können.

 

Martin G. Müller
Spektrum Dialyse & Selbsthilfe Nierenkrebs Saar

 

 

Hinweis (Stand: August 2025):


Als Reaktion auf meinen veröffentlichten Kommentar wurde ich von der Klinikleitung der SHG-Klinik Völklingen zu einem Gespräch am 2. September 2025 eingeladen. Ich werde dort gemeinsam mit mehreren Begleitpersonen die Perspektive der Patientinnen und Patienten, wie im Artikel vertreten.

 

Über die Eindrücke und den Verlauf des Gesprächs werde ich zu gegebener Zeit informieren.