Nachruf Paul Dehli


Eine Träne des Dankes, dass es Dich gab. Eine Träne der Freude, für die Zeit mit dir. Eine Träne des Schmerzes, weil du so fehlst. Eine Träne der Gewissheit, dein Platz bleibt leer. Eine Träne der Liebe, aus meinem Herzen wirst Du nicht gehen.

Am 04.04.2018 ist mein Freund, Mentor und Förderer Paul Dehli, im Alter von 49 Jahren, plötzlich verstorben.

 

Diese erschütternde Nachricht brachte etliche Erinnerungen an unseren gemeinsamen Weg hervor.

Ich lernte Paul 2002 über die Internetplattform "Dialyse Online" kennen. Bei unseren Kontakten erfuhr ich, dass er an der Dialyse war und auf eine Nierentransplantation wartete. Weiter erfuhr ich von seinen zahlreichen beruflichen wie ehrenamtlichen Tätigkeiten. Seine Darstellungen bewirkten, dass ich ihn von Anfang an, für einen sehr bemerkenswerten Menschen hielt. Er erzählte mir auch, dass er im Verein "Junge Nierenkranke Deutschland e.V." sehr aktiv wäre. Ein Verein, der sich um Probleme junger Nierenkranker kümmerte. Hier war der Vereinsaufbau in vollem Gange. Mit Blick auf die Vereinshomepage stellte ich fest, dem Vorstand gehörten viele Bekannte an, die ich aus meiner Heidelberger Kinderklinikzeit kannte. So wurde auch ich schnell Mitglied in diesem Verein.

 

Zu jener Zeit war ich psychisch leider noch nicht in der Lage, das Saarland eigenständig zu verlassen. Hartnäckig wollte man mich trotz allem zur Mitarbeit im Vorstand gewinnen. Als ich der Mitarbeit zustimmte, erklärte sich Paul bereit, mich regelmäßig zu den Veranstaltungen abzuholen. Hierzu reiste Paul extra nach Kaiserslautern, wohin ich es eigenständig gerade so mit dem PKW schaffte. Es waren für ihn damals Umwege von mehr als 170 Km. Was ihn aber nie störte. Er sah in mir einen Menschen, der etwas leisten konnte, aber dazu Unterstützung und Anschub benötigte. Konnte er nicht, übernahm den Fahrservice mein Freund Thomas Lehn ab Kaiserslautern. So unterstützte man mich, bis ich in der Lage war, alle Ziele in Deutschland eigenständig zu erreichen. Eine Hilfe zur Selbsthilfe, die in der Art nur Ausnahmemenschen leisten. Paul eröffnete mir dadurch ein völlig neues Lebensgefühl sowie neue Horizonte. Ich lernte durch ihn wieder zu leben, sowie an diesem teilzunehmen. Darüber hinaus entwickelte ich auch wieder ein Selbstwertgefühl.

 

In der gemeinsamen Vorstandsarbeit kümmerten wir uns um die Homepage und den Aufbau von Werbematerialien. Gerade der Beginn mit der Homepage gestaltete sich technisch problematisch. Paul wohnte in Wiesbaden der Server stand aber in Stuttgart. Immer wenn dieser abstürzte oder Probleme hatte, musste Paul nach Stuttgart fahren. Dies nur um den Startknopf zu drücken. Ich weiß nicht, wie viele Kilometer er damals unterwegs war. Aber es waren einige.

 

Für die Arbeit und das ich ihn dabei entlasten konnte, schulte er mich telefonisch am Computer. So lernte ich Grafik & Design, Programmieren und vieles mehr. Er richtete mir sogar zu Übungszwecken eine eigene Homepage ein, die bis heute läuft. Wir programmierten sogar für ein Seminar, eine eigene Videotelefonleitung. Ich erinnere mich, ich musste damals mit meinem PC zu meinem Vater, da dieser eine schnellere Leitung besaß als ich. Das Kabel reichte jedoch um den Laptop abstellen zu können, nur bis zur Badewanne. Nach kurzer Zeit der Einstellungen sahen wir uns per Webcam. Ich saß in der trockenen Badewanne und Paul im Unterhemd vor seinem PC. Damals war diese Videoleitung eine echte Sensation, die Paul einfach so, beiläufig erschuf.

 

Beruflich war er damals oft in die Schweiz unterwegs und dialysierte da auch regelmäßig. In seinen Erzählungen erfuhr ich relativ früh, von einer hübschen und netten Schweizer Dialyseschwester namens Claudia. Bei ihr war sein Blutdruck immer etwas höher erzählte er mir. In der Abfolge durfte ich miterleben, wie sich beide näher kennenlernten, heirateten, die erste Wohnung bezogen, ein Haus bauten und Eltern zweier aufgeweckter Kinder wurden. Er trat dem Kirchenchor vor Ort bei und spielte die Kirchenorgel. Er hatte Musik nicht nur studiert, sondern sie war seine große Leidenschaft.

 

Im Jahre 2005 fuhren wir für eine Woche zu einem Seminar nach Hamburg. Seine Frau Claudia war mit dem ersten Kind schwanger. Das drückte nicht nur auf ihr Kreuz, sondern auch auf die Blase. Das führte dazu, dass wir 80 % der Toilettenhäuschen zwischen Idstein und Hamburg kennenlernen durften. Es war eine lustige Fahrt, an die ich mich gerne zurückerinnere. Auf der Heimreise bewirkte ich eine kleine Schrecksekunde. Da Paul nicht so fit war, fuhr ich seinen Mercedes. Ich war bis dahin nur meinen 50 Ps Opel Corsa gewöhnt.  So raste ich unbemerkt mit 180 km/h in eine sehr enge Baustelle. Kurzzeitig war die junge Familie gefährdet. Im Anschluss hatte ich mit Blick auf den Tacho, das Auto im Griff und fuhr so vertrauensvoll bis Göttingen.

 

Am  30.12.2007 erreichte mich die Nachricht, Paul wurde transplantiert. Neben der großen Freude bemerkte ich gleichzeitig, unsere Vereinshomepage ist abgestürzt. Zu diesem Zeitpunkt war es zwar möglich, den Server online zu starten, aber wer sollte das nun tun? Nur Paul hatte Zugang, ohne ihn ging nichts! Er bemerkte frisch transplantiert den Fehler und behob über Handy zusammen mit Claudia, von der Intensivstation aus, die Fehler. Mich erlebte man dabei sprachlos! Er fand immer einen Weg der schnellen Hilfe.

 

Da er Vater geworden war, verließ er aus Zeitgründen den Vorstand des Vereins. Was unserer Freundschaft aber keinen Abbruch tat. Wir tauschten uns weiter aus, arbeiteten an gemeinsamen Projekten und er unterstützte, motivierte und förderte mich, wo immer er konnte. Einige Zeit später gelang es mir, ihn wieder für einige Jahre für die Vorstandsarbeit zurückzugewinnen. Da er dies nur mit der Zustimmung von Claudia machte, bestach ich diese ganz banal mit einem Marmorkuchen. Wir arbeiteten im Verein solange mit, bis wir erkennen mussten, die Arbeit der neuen Vereinsführung passte nicht mehr zu unseren Wertvorstellungen und der Auffassung von Selbsthilfe, mit denen wir einst den Verein gegründet hatten.

 

In der Folge bauten wir die Internetseite "Spektrum Dialyse" auf. Er unterstützte mich dabei erneut aktiv. Paul programmierte mir nicht nur das komplette Design, sondern stellte mir bis heute alles kostenlos zur Verfügung. Bei Problemen war er mir immer ein "sehr" geduldiger Ansprechpartner. Er förderte mich so, wiederholt. So durchlief ich eine Entwicklung zu einer Persönlichkeit, die in zahlreichen Kreisen bis heute mit Respekt behandelt wird.

 

Den letzten Sommerurlaub habe ich ihm mit der Familie sozusagen mit einer SMS verdorben. Wobei er den Fehler auch selbst entdeckt hätte. Im Juli 2017 stürzten über Nacht alle seine Server ab. So, dass es zu einem kompletten Datenverlust gekommen war. Alle seine Kunden waren betroffen. Es war ein Fehler aufgetreten, der nur einmal unter Tausenden vorkommt. Für ihn eine berufliche Katastrophe. Erstmals hatte ich nun Gelegenheit ihn zu unterstützen. Wir programmierten gemeinsam mehr als sechs Wochen zahlreiche Homepages vollkommen neu. Ende März 2018 hatten wir die letzten Fehler beseitigt.

 

Am 29.03. telefonierten wir letztmalig. Ich hatte ein Problem, bei den ich ihn, wie so oft um Rat fragte. Wie gewohnt konnte er helfen. In diesem Gespräch erzählte er mir wieder voller Stolz und Liebe, von seiner Familie. Die selbst war zu diesem Zeitpunkt in der Schweiz bei Verwandten. Er saß wie immer vor seinem Computer, telefonierte, tauschte Whatsapp mit der Familie aus und arbeitete zeitgleich. Er war wie so oft mit der Arbeit Land unter. In diesem Gespräch hatten wir noch unsere gemeinsame Vergangenheit Revue passieren gelassen. Ebenso war aber auch das Thema Tod und sterben zur Sprache gekommen. Kurz zuvor war ein gemeinsamer Bekannter verstorben. Wir wussten früher oder später, trifft es auch uns. Wobei Paul ein Musterbeispiel davon war, wie man nach einer Transplantation normal und gesund lebte. Wir waren uns beide einig, wenn es mal soweit sein sollte, wäre es gut, wenn es schnell gehen würde ... Mit der Einsicht, dass ein ander über unser Leben bestimmt und es nicht in unserer Hand liegt, beendeten wir unser nachdenkliches Gespräch wie immer,  mit "bis demnächst ..."

 

Am 05.04. klingelte früh morgens mein Telefon und seine Frau Claudia war dran. Sie teilte mir mit, dass Paul am Vortag plötzlich an einem Herzinfarkt verstorben sei. Ich war wie gelähmt und konnte zu Claudia nichts sagen. Was will man sagen, wenn man nicht versteht, was man gerade erfahren hat ...?

 

Ich hatte in dem Moment nicht nur einen Freund verloren, sondern mir war bewusst seine Familie für immer ihren Mittelpunkt ... Eine Lücke, die nicht mehr zu schließen ist. Ich hätte Claudia gerne Worte des Trostes gesagt, aber unter dem Schock fühlte ich mich so hilflos.

 

Über Jahre war unser Kontakt so gut, dass ich die Entwicklung der Familie mitverfolgen durfte.  Wir besuchten uns gelegentlich und führten dabei sehr viele inspirierende  Gespräche. Paul war für mich ein Mentor, der mir durch seine Hilfe so viele Wege und Möglichkeiten eröffnete, die ich ohne ihn nie erlangt hätte. Ich konnte es nicht begreifen, dass er nicht mehr bei uns war.

 

Durch seine Freundschaft, seiner Hilfe, Unterstützung und Förderung, gab er mir Gelegenheit mich so zu entwickeln, dass ich sogar für meine Selbsthilfearbeit 2016 das Bundesverdienstkreuz erhalten habe. Diese Auszeichnung widmete ich insbesondere auch ihm, denn ohne ihn wäre ich nie soweit gekommen. Er war die erste Person, die ich darüber informierte und der sich sofort telefonisch bei mir meldete. Er war sehr stolz.  Ohne ihn hätte ich damals, in einer Lebenskrise, nie einen neuen Lebensweg begonnen!

 

Mit Paul Dehli habe ich einen Freund verloren, dem ich wie dargestellt unzählig viel zu verdanken habe und dem Worten nie gerecht werden. Er wird mir in meiner Arbeit wie im Umgang mit Menschen, wie auch mein Vater, immer ein Vorbild sein.

Ich bin dankbar, dass ich ein Stück meines Lebens an seiner Seite gehen durfte.

 

Mein aufrichtiges Mitgefühl gilt seiner Frau Claudia, seinen Kindern Johannes und Anna Maria sowie der Familie. Sie haben das Liebste verloren, dass sie auf Erden hatten. Ich wünsche ihnen von Herzen viel Kraft in diesen schweren Zeiten.

 

Aus tiefen Herzen ein Letztes "DANKE" für alles Paul!

 

Martin G. Müller

 

Spektrum Dialyse


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