Lichter der Erinnerung

Wenn ich mich an dieses Jahr zurückerinnere, kommt mir die Zeit wie ein Kurzfilm vor, in dem sich sehr viel zugetragen hat.

 

Zum Jahreswechsel 2017/2018 besuchte ich noch regelmäßig vor der Dialysebehandlung einen langjährigen Dialysefreund, der an Krebs erkrankte.  Leider verstarb er im Januar.

 

In  der Verarbeitung dieses Geschehens erreichte mich im April die Nachricht vom plötzlichen Tod meines Freundes, Mentors und Förderer Paul Dehli.

 

Verankert in der Bewältigung dieser  unfassbaren Trauernachricht, erreichte mich ebenfalls im April die Nachricht vom plötzlichen Tod meines langjährigen (seit 1990) Dialysepflegers Detlev Jochum. Auch er war für mich stets ein geschätzter und freundschaftlicher Gesprächspartner sowie Unterstützer- und Mentor meiner Selbsthilfearbeit.

 

Überdies erreichten mich Todesnachrichten, von Kollegen, die wie ich mit der Dialysetherapie seit den 70iger Jahren  behandelt wurden.  Neben den Erinnerungen, an gemeinsame Lebenskämpfe, die wir immer wieder zurückliegend gewonnen hatten, machte es deutlich, nichts ist für immer! Eines Tages gehen wir alle als Verlierer vom Platz. Dann heißt es wie bei den Boxern  als Beispiel: " Gewonnene Kämpfe‎: ‎54. Niederlagen‎: ‎1."

 

Im Sommer erhielt eine langjährige Dialysefreundin, mit der mich auch viele Gemeinsamkeiten verbunden haben, die Diagnose Alzheimer/Demenz. Seither muss ich mich auch von ihr, Stück für Stück auf ihrem Krankheitsweg verabschieden.

 

Im Juli verstarb dann auch noch nach einem erfüllten Leben, mein Onkel, der meine Biografie, stets positiv geprägt hatte.

 

Alle diese Erfahrungen führten mich mit starken Zweifeln gedanklich wie körperlich an Orte, wo ich eigentlich nicht sein wollte. Überdies bemerkte ich, dass sie mich beiläufig in eine neue Lebensepoche führten.

 

Dies wurde mir intensiv bewusst, als ich zusammen mit meinem Vater den Friedhof meiner Heimatgemeinde Bildstock im Saarland besuchte. Hierbei  erblickte ich Namen auf Gräber und Urnenwänden von Menschen, die meine Kindheit prägten. Ebenso entdeckte ich noch Überreste der Grabstelle meiner Großeltern. Dabei wurde mir wage  bewusst, dass ich selbst als Kleinkind auch an den Grabstellen meiner Urgroßeltern stand.  Mein Vater zeigte mir, wo diese Gräber ungefähr lagen. Neben diesen Erinnerungen erblickte ich völlig unerwartet auch zahlreiche Namen, von Jugend -/ und Spielfreunden, die ich noch im Leben vermutete.  Mit den schockierenden Erkenntnissen stand ich da, hörte, wie der Wind über die Gräber rauschte und bemerkte, ich bin nun schon älter als mein Vater, als sich in seinem Beisein meine ersten Erinnerungen an diesen Ort bildeten.

 

Der Friedhof befindet sich in einer leichten Hanglage. Viele alte Bäume stehen als Zeitzeugen da. In Ihrem Schatten bildeten sich sicher auch die ersten Erfahrungen meines Vaters an diesen Ort in Geleit seiner Eltern.  Abseitsstehend und tief in diese Gedanken versunken, stand mein Vater plötzlich wieder neben mir und trieb  mich hastig an, zum Auto zurückzukehren, denn ein Gewitter zeigte sich mit ersten Regentropfen.

 

Wir gingen zurück. In mir herrschte jedoch ein Bewusstsein, dass eine Zeit begonnen hat, wo ich in naher Zukunft immer öfter an diesem Ort von lieben Menschen Abschied nehmen muss. Auch von meinem Vater, wie er, einst von seinen Eltern. Dieser Gedanke schmerzte mich. Unbekümmert und nichts ahnend von diesen Gedanken,

 

drängte mich mein Vater ihm in eiligen Schritten zum Auto zu folgen. Ich glaube er hatte dabei vergessen, dass ich herzkrank bin und nicht schnell kann. Ich fuhr mit dem Bewusstsein nach Hause, dass auch ich eines Tages, mit meiner Familie und Freunden an diesem Ort wieder verbunden sein werde. Das ist der Lauf des Lebens.

 

In dieser Zeit des Jahreswechsels zieht man gerne eine Jahresbilanz. Diese fällt mit allen Erlebnissen  aus diesem Jahr bitter aus. Es bleiben erneut viele Plätze um den Weihnachtsbaum meines Lebens, für immer verweist, die im letzten Jahr noch besetzt waren.

 

Aber auch wenn ich in die Welt am Jahres Ende blicke, besteht Unbehagen.  Jeden Tag blickt man mit Sorge  auf die Nachrichten. Man schaut dabei welcher Despot postet gerade wieder über Twitter welche Horror-Nachrichten und trifft folgenschwere Entscheidungen.  Wo ist wieder ein Unglück geschehen? Wo hat welcher Krieg wieder Kinder und ihre Familien das Leben gekostet. Wo sterben wieder Menschen in Angst auf der Flucht? Wo bleibt die Weltpolitik wieder untätig um dies zu verhindern? Wo hat wieder jemand blind in eine friedliche Menschenmenge gefeuert?

 

Wir erleben so alltäglich, dass auch das für uns vermeintlich sicher Geglaubte so im Privaten mehr und mehr unsicher wird.  Daher sollten wir nicht nur in der Weihnachtszeit darüber nachdenken, was in unserem Leben wirklich zählt, sondern wir sollten uns das ganze Jahr die Fragen stellen: Was gibt meinem Leben bestand? Was gibt meinem leben Grund? Was lässt mein Leben schön sein?

 

Das sind Dinge, die nicht auf uns hereinströmen, sondern aus uns herauswachsen und uns Antrieb geben. All dem sollten wir Aufmerksamkeit schenken! Zu schnell können Elemente die unser Lebensmotor antreiben, von jetzt auf gleich verloren gehen. Für viele ist daher gerade jetzt, die Traurigkeit größer als die Freude, da Ihnen der verlässliche Punkte ihres Lebens verloren gingen. Keiner dieser Menschen sollte, wenn er es nicht möchte, alleine bleiben müssen.

 

Schaue ich nun in die Krippe und erblicke das kleine Kind und die zahlreichen Lichter umher, verleiht es meinem Weihnachtsfest eine besondere Symbolkraft. Gott ist mir plötzlich aus einer Ferne, die im Leben unerreichbar ist, sehr nah. Die zahlreichen Lichter, stehen für mich als stumme Zeichen der Erinnerung an Menschen, die mein Leben mit ihrem wirken, tief greifend erleuchtet haben.

 

Versuchen doch auch Sie in dieser Zeit, beim Anblick der vielen Lichter, die Menschen in Erinnerung zu rufen, die Ihr Leben, positiv beeinflusst haben.  Wie ich im Sommer auf dem Friedhof erfahren durfte, sind dies mehr als man für möglich hält.

 

Aber denken Sie auch im  Weihnachtsstress daran, nichts ist wie dargestellt für immer und selbstverständlich.  Versuchen Sie daher allen in Ihrem Umfeld  mit Wertschätzung und Liebe zu begegnen. Darin besteht  der wahre Sinn von Weihnachten.  Wenn nur noch die "Lichter der Erinnerung" bestehen, ist es zu spät, seine Wertschätzung und Liebe zu zeigen!

 

"Es begab sich aber zu der Zeit..." Und dann kam der Engel und sprach seine Worte gegen die Angst." Auch an diesen Weihnachten ist nichts selbstverständlich!

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gesegnete Weihnachten  sowie ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2019!