Eine Limonade als Merkmal des verlorenen Selbstbestimmungsrechtes - Nierenpatienten werden zukünftig genötigt, Nebenwirkungen durch Neuerungen auszuhalten!

Kennen Sie die folgende Situation als Patient? Alles in Ihrer Therapie ist seit Jahren gut eingestellt und man ist in der Behandlung fast unauffällig. Mit stabiler Gesundheit versuchen wir so jeden Tag das Beste aus dem zu machen, was unsere Lebensqualität noch zulässt. Nur nichts unachtsames tun, damit nicht   alles wie ein Kartenhaus in sich zusammenbricht. Dies bedeutet von den Patienten täglich eine große Disziplin in ihrer Lebensführung. Viele versuchen hiermit zusätzlichen Symptomen, um nicht immer wieder auffällig zu werden, vorzubeugen. Denn äußert man häufig Problemstellungen, zählt man beim medizinischen Team schnell zu den Plagegeistern ihrer Arbeit. Gibt es Neuerungen, die wir nicht vertragen, finden wir heute kaum noch schnelle und zielsichere Hilfe, wenn wir überhaupt, bei Personalnot, damit ernstgenommen werden. Immer öfter geht dabei unser Selbstbestimmungsrecht verloren. Ich möchte dies an einem Beispiel aus dem Lebensmittelhandel in Vergleich darstellen.

 

Seit Jahren genoss ich die Limonade „Sprite“ in Dosen. Sie hat schon immer meinem Gaumen in angenehmer weiße geschmeichelt und sie war die einzige Limonade, die ich mit meinen vielen Unverträglichkeiten, bisher vertragen habe. Ich genoss es, aus den gekühlten Dosen zu trinken, und es war irgendwie ein schönes Gefühl, wenn die gekühlte Limonade im Hals prickelte. Dies war ein wohltuendes Lebensgefühl, das die Lebensqualität in den kleinen Momenten im Krankheitsalltag steigerte. Mein Leben wie die Verträglichkeit des Produktes sind seit Jahren genau eingestellt. Im Vergleich wie eine auf mich  speziell angepasste Medikation.

 

Im Juli dieses Jahres hatte der Supermarkt, meine „Sprite“ im Angebot. Wo eine Dose sonst 0,95 € kostete, war der Preis auf 0,49 € herabgesetzt. Als ich dies erblickte, langte ich zu und kaufte drei Paletten (a 24 Dosen). Ich freute mich, ein Schnäppchen gemacht zu haben. Beiläufig stellte ich fest, Coca Cola hatte das Design der Dose verändert. Zudem war ein kleiner weißer Button auf der Dose. Alles auf der Dose war in Deutsch abgefasst, nur der Inhalt des Buttons war englisch. Einige Tage später nahm ich mir aus dem Kühlschrank, eine Dose öffnete sie unbesehen und trank. Kaum im Mund spuckte ich sie wieder aus. Es schmeckte für mich faul und moderig. Ekelhaft! Ich schüttete die Dose weg und öffnete eine neue. Was soll ich sagen, vier Dosen und immer der gleiche ekelhafte Geschmack. Ich schaute mir nun den Button auf der Dose an und lies: „New Irresistible Taste“ (Neuer unwiderstehlicher Geschmack). Ein Blick auf die Inhaltsstoffe zeigte, statt einer Zitronensäure wie zuvor, stand da jetzt „Weinsäure“. In dem Moment brach für mich eine Welt zusammen. Ich trank nicht nur die Limonade über all die Jahre mit Genuss, sondern ich genoss sie auch aus medizinischen Gründen. Ich brauchte einfach die zusätzlichen Kalorien, die ein Mineralwasser nicht beinhaltet. Ich dachte, ok daran muss ich mich gewöhnen, mit etwas Willen und Durchhaltevermögen, wird es gehen. Jedoch nach dem ich eine Dose getrunken hatte, meldete sich mein Magen. Was sich mit der Zeit auch nicht änderte, sondern schlimmer wurde.

 

Was konnte ich nun tun? Sollte ich zum Telefon gehen und Coca Cola anrufen, um zu sagen: „Hört mal, das Neue „Sprite“ vertrage ich nicht mehr und zudem schmeckt es für mich widerlich. „Ich bin der Martin“ aus dem Saarland, ich brauche es wieder in der alten Rezeptur, auch aus medizinischen Gründen.“ Dabei noch schnell eine leichte Drohung nachgeschoben: „Wenn ihr dies nicht abändert, verliert mich Coca Cola als Kunde und erlangt einen Firmenverlust von ca. 1.300 Dosen im Jahr.“ Das einflussreiche Teammitglied des Callcenters am anderen Ende der Leitung, wird über diese Mitteilung und den zu erwartenden Verlust für das Unternehmen, in Tränen ausbrechen! Jedoch Tränen vor Lachen! Den einzelnen Menschen, nimmt man doch heute an keiner Stelle mehr bei Problem ernst. Es geht bei allem, wie bei der Rezepturveränderung, um Gewinne wie sparen!

 

Ich werde wie so oft in Unverständnis zurückgelassen, dass sich nun meine Lebensqualität durch die Veränderung von außen, stark reduziert! Hilflos stehe ich nun da und kenne keine Lösung ,wieder eine Veränderung ohne Nebenwirkungen, für mein Leben zurückzuerlangen. Übertragen bin ich hier entmündigt worden. Jedoch lässt man mir mein Selbstbestimmungsrecht! Wenn mir das angebotene Produkt nicht behagt oder bekommt, steht es mir frei, auf ein anderes auszuweichen. 

 

Nach längeren Tests und Rückschlägen mit Limonaden anderer Hersteller, bei denen ich auch Unverträglichkeiten mit dem Magen wie allergischen Reaktionen entwickelte, hatte ich Ersatz gefunden. Leider in der Glasflasche nicht wie gewohnt in der Dose. Jedoch bleibt festzuhalten, es dauerte eine Zeit, bis ich wieder ein Produkt gefunden hatte, dass ich ohne Nebenwirkungen, vertragen habe. Ich testete am Ende zwölf Produkte unterschiedlicher Hersteller.

 

Sicher reist diese Darstellung keinen vom Hocker und jeder denkt, was beschreibt er hier für ein belangloses Problem…! Es gibt doch Wichtigeres als die Verträglichkeit einer Limonade! Es war jedoch nur der erste Teil des Vergleichs.

 

Wechseln wir nun mit diesen Erfahrungen in den Bereich der Nephrologie und übertragen die Abläufe in die Dialyseversorgung wie zu Transplantierten.

 

Man steht in der Apotheke und bekommt unerwartet zu hören: „Ihr Medikament ist über länger nicht lieferbar!“ - „Ihr Medikament wurde vom Markt genommen!“ Oder bei der Dialyse erkennt man ein neues Blutschlauchsystem, neues Konzentrat, Heparin eines anderen Herstellers usw. Ebenso kann die Produktion des gewohnten Dialysefilters eingestellt worden sein oder das Zentrum hat wegen besseren Preisen den Hersteller gewechselt. Weiter kann auch aus Kostengründen die Dialysezeit reduziert werden. Mit den Vorgenannten Veränderungen gehen uns so, wenn wir darauf mit Nebenwirkungen reagieren, wichtige Bestandteile unserer Lebensqualität verloren. Ein Zurück gibt es nun nicht mehr ...

 

Wenn wir nun dem medizinischen Team stetig Unverträglichkeiten auf die Ersatzprodukte erläutern, sind alle bemüht, schnell eine verträgliche Alternative für uns zu finden. So wie ich im übertragenen Sinn bei der Limonade. Pflege wie Ärzte sind unerlässlich darum bemüht, eine Besserung herbeizuführen. Man sucht so gleich nach mehreren Alternativmöglichkeiten, die unsere Lebensqualität schnell wieder in die gewohnte Form lenken. So ist zu jeder Zeit erkennbar, wir werden mit unseren Problemen ernst genommen! Dafür ist, wie gerade erwähnt, keinem eine Tätigkeit zu viel und man hat immer ein offenes Ohr für uns, um wiederholt über die gleiche Problematik zu sprechen. Reden hilft oft mehr als Medizin! So haben wir ein medizinisches Trainerteam an unserer   Seite, dass uns stets Zuversicht und Mut vermittelt!

 

Sie sind vom Inhalt des vorherigen Absatzes, da es mit ihrer erlebten Realität als Patient nichts Übereinstimmendes besitzt verwirrt?! Es liegt eventuell daran und dies tut mir leid, dass die vorgenannten Handlungen bei Unverträglichkeiten, aus der ARD-Krankenhausserie „In aller Freundschaft“ in der fiktiven „Sachsenklinik“ sowie aus der Arztserie „Bergdoktor“ beim ZDF stammen.

 

Wie erleben wir die Realität? Beschreibt man Nebenwirkungen durch Therapieveränderungen, wird erst einmal die Thematik verbal herabgemindert. Gelingt dies nicht, da  die  Probleme beständig sind, hören wir zum Beispiel: „Das bilden Sie sich ein, weil es neu ist!“ „Es braucht eine Zeit bis Sie sich darauf eingestellt haben“, „Sie sind der Einzige, der sowas beschreibt“, „Wenn wir nur so Patienten wie Sie hätten …“, „Damit müssen Sie leben, wir können nichts anderes bestellen!“ „Das liegt nicht in unserer Hand, beschweren Sie sich bei den Verantwortlichen!“ Dies sind keine Fantasien, sondern die Realität, die viele Patienten so in Deutschland zahlreich erleben.

 

Die klagenden Patienten werden dann häufig auf die Schiene zur Mitbehandlung anderen Fachärzten geleitet. Nun beginnt eine Pilgerreise von Arzt zu Arzt und von einer Untersuchung zur nächsten. Das raubt Patienten Kraft, Freizeit und vor allem ihr höchstes Gut, ihre Lebensqualität. Alle diese zeitintensiven Abläufe muss man nun erdulden, da man die eingetretenen Änderungen in der Therapie nicht verträgt. Spricht man den Arzt erneut an, hört man: „Ich kann ihnen noch nichts sagen, es liegen noch keine Ergebnisse vor … Sobald ich etwas weiß, sage ich ihnen Bescheid!“ Das ist eine Aussage, die noch nie zugetroffen hat, da fast alle Ärzte unter „Zeitdruckdemenz“ leiden. Überdies bleiben all diese Untersuchungen meist ergebnislos und man steht wieder am Beginn der Diskussionen. Da man erkennt, dass sich die medizinische Seite weiter verweigert, die Unverträglichkeit anzuerkennen, verabschiedet man sich aus mentaler Erschöpfung, gezwungenermaßen, von einem weiteren großen Stück Lebensqualität. Die Abhandlung des medizinischen Teams gleicht hier einem Seelenmord am Patienten. Was müssen diese nicht  schon so alles ertragen wie erdulden! Dies immer auszublenden, ist die Perfektion in  professionellen Distanz des medizinischen Teams zum Arbeitsmaterial Mensch! Das kann man nicht alles nur mit Personalmangel Entschuldigen. Auch wenn dieser Mangel akute Schwierigkeiten in der Patientenversorgung überall darstellt.

 

Man ist nun hilflos der Situation ausgeliefert und wir müssen zukünftig mit Einschränkungen leben, wo wir genau wissen, sie sind unnötig. Denn wegen einem Kunden/Patienten wird z.B. Fresenius wie Coca Cola keine Produktion umstellen um wieder gewohnte wie verträgliche Qualität für den Betroffenen liefern zu können. Teurere Produkte, die eventuell eine Alternative wären, werden aus Kostengründen nicht angeschafft. Patienten, die diese Abläufe verstehen, fühlen sich der Situation komplett ausgeliefert. Ihr Selbstbestimmungsrecht hat keinerlei Bedeutung. Man könnte sich, ähnlich wie bei der Limonade, nun ein neues Dialysezentrum als alternative suchen, aber ist es da anders ...? Und wenn wie lange … ?

 

Die Situation mit der Limonade kann man durch die frei zugängliche Produktvielfalt zeitnah abändern. Bei Veränderungen in der Therapie besitzt man diese Möglichkeit, wie dargestellt nicht. Zukünftig werden in vielen Bereichen, schon allein bedingt durch Lieferengpässen bei den Wirkstoffen, Arbeitskräftemangel uvm., viele unabänderbare Veränderungen vermehrt eintreten. Diese Abläufe bewirken dann genau die beschriebenen Szenarien. Emotional haben zukünftig Höchstleitungen zu vollbringen!

 

Die angepasste Therapie, die bei der Dialysebehandlung immer so wichtig war, wechselt zur Einheitstherapie, auch bedingt durch ein Pauschalsystem, dass die Kosten nicht mehr deckt. Dialysepatienten, die heute mit der Therapie beginnen, werden  kaum noch Überlebenszeiten von 30 bis über 50 Jahre, wie die Pioniergeneration aufweisen. Das gelingt nur, sollten neue wie revolutionäre Nierenersatztherapien entwickelt werden, die günstiger sind als die aktuelle Therapie.

 

Aktuell werden die Patienten mit zahlreichen Problemen, auch durch Personalmangel wie geringer Ausbildung, allein gelassen. Der Erhalt der Lebensqualität steht lange nicht mehr im Mittelpunkt der Kostenerstattung, sondern einzig die Lebenserhaltung. Doch was für einen Wert bietet das Leben noch ohne Lebensqualität?!

 

Eine Besserung wird es nicht mehr geben! Denn durch alle Mangelzuständen, in allen Arbeitsbereichen, wie dargestellt, leben wir inzwischen in einer Triage-Situation, wo nur noch das vordringlichste umgesetzt werden kann. Für einzelne Schicksale sind hier keine Reserven mehr vorhanden. Hierbei sterben viele Patienten verfrüht. Bis die Politik hier eine Entspannung herbeigeführt hat, braucht es sicher bis 20 Jahre.

 

Bis dahin werden viele Patienten unnötige Einschränkungen durchleben müssen und ihr Selbstbestimmungsrecht nur noch auf dem Papier vorhanden sein.